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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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der anderen Seite ihres Stuhls.
    »Es ist an der Zeit für mich zu gehen, Merilee. Jeden Morgen habe ich nachgeschaut, ob sich schon die ersten Triebe zeigen. Ich habe gewartet und gewartet.«
    »Auf was, Veraleen?« Aber ich wollte es gar nicht wissen. Ich fragte es nur wegen Biswick.
    »Auf den Mut, ihnen allen gegenüberzutreten. Ich habe darauf gewartet, dass Gott mir den Mut gibt.«
    »Du gehst nirgendwohin, Veraleen«, sagte ich ihr. Ich zog einen Stuhl zu ihr heran.
    »Biswick«, sagte sie mit kaum hörbarer, brüchiger Stimme. »Du musst dich um ihn kümmern, Schatz. Er braucht dich.«
    »Biswick gehört zu dir, Veraleen! Du musst für ihn sorgen! Außerordentlich! Ganz außerordentlich!«
    Sie warf mir einen traurigen Blick zu. »Ich hab ihn nicht verdient, Merilee.«
    »Wie meinst du das?«
    Sie stieß ein seltsames, helles Lachen aus, das mir Angst machte. »Ich war keine gute Mutter. Ich verdiene ihn nicht.«
    »Veraleen, bitte!«
    »Ich gehe nach Hause. Um zu sehen, ob dort noch ein Platz für mich ist. Ich habe gewartet, bis ich den Mut dazu haben würde. Zwanzig Jahre lang habe ich gewartet.«
    »Du musst hierbleiben und dich um Biswick kümmern.«
    »Ich muss nach Hause gehen und die Leute um Entschuldigung bitten, die mir am Herzen liegen«, entgegnete sie, während sich ihre Augen mit Tränen füllten. »Meinen eigenen Sohn. Und meinen Mann.«
    »Du gehst also nicht nach Afrika oder nach Australien?«, fragte ich, indem ich erneut ihrem Blick in den Garten folgte.
    »Nein«, sagte sie, während sie kurz in sich hineinlachte. »Ich
habe ein großes altes Herz. Es ist groß in der Liebe und groß im Hass. Das war nur eine kleine Notlüge, Schatz.«
    »Was ist mit Biswick?«
    »Ich muss zunächst einige Dinge regeln, ehe ich ihn nehmen kann. Eines Tages vielleicht...«
    Ich fing an zu weinen, versuchte, die Tränen aber so gut es ging hinunterzuschlucken. »Oh, schauer... lich!«, schluchzte ich.
    »Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen, mein Schatz. Bitte weine nicht, Merilee.«
    »Abgemacht, Veraleen, ich weine nicht mehr und du bleibst hier bei Biswick. Du jagst nur den Schatten der Vergangenheit hinterher. Aber Biswick ist die Gegenwart. Er ist hier und er braucht dich! Gott ist diese Woche sowieso im Urlaub und kann dir keinen Mut geben.« Ich wischte mir die Tränen, die einfach nicht aufhören wollten zu fließen, aus dem Gesicht.
    Sie stand auf und griff nach ihrem Koffer.
    »Versprich mir, dass du seinetwegen zurückkommst!«, sagte ich. Sie lächelte bloß. Sie nahm sich einen der dünnen Zweige aus den Haaren, hielt ihn sich an die Nase und gab ihn mir. Er roch nach Zitrone.

Dreiundzwanzigstes Kapitel
    J eder hat eine Leiche im Keller, hatte Grandma an dem Tag erklärt, als Gideon zu seiner Mutter und Großmutter nach Hause gebracht worden war. Ich wusste allerdings nicht, was sie damit meinte, da es in Jumbo keine Keller gibt.
    Als ich später am Abend zu Gideons Haus fuhr, fragte ich mich erneut, was für Leichen sich denn hinter ihrer Tür verstecken sollten. Ich hatte den ganzen Nachmittag, in eine Wolldecke gewickelt, in meinem Zimmer verbracht und Der Graf von Monte Christo gelesen. So hatte ich außerdem Ruhe vor Bug. Nach dem Abendessen habe ich mich dann davongemacht. Mein beinah hübsches Foto hatte ich mir unter das T-Shirt gesteckt. Ich hatte jetzt schon Sehnsucht nach Veraleen.
    Ich stellte mein Fahrrad ab und ging die Stufen zum Eingang hinauf. Für einen winzigen Augenblick nahm ich hinter den Fensterläden zu beiden Seiten der Tür eine rasche Bewegung wahr. Und ich sah Jim, die arme Katze, die mit einer Mütze auf dem Kopf einen kurzen verzweifelten Blick nach draußen warf, ehe sie von zwei alten Händen zurückgezogen wurde. Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit. Ich konnte ein Auge mit blauem Lidschatten erkennen, der in den Augenwinkeln getrocknet war, und weiter unten ein Paar altmodische Schnürschuhe. Das Auge zwinkerte einmal. Es roch nach Johnson’s Babypuder.
    Ich war überrascht. Soweit ich wusste, ging nie ein anderer
als Gideon an die Tür. »Ist Gideon zu Hause?«, fragte ich schließlich.
    »Der ist in der Stadt«, kam eine zittrige Antwort.
    »Elsa?«, rief eine müde Stimme aus der Tiefe des Hauses. Dann schloss sich die Tür wieder.
    Ich drehte mich um und ging die Stufen hinunter. Zu dieser Zeit waren alle Geschäfte längst geschlossen. Ich stieg auf mein Fahrrad und fragte mich, wo er nur stecken konnte.
    Zwei Mal radelte ich die Main Street

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