Meine gute alte Zeit - Teil I
kein Wort. Sie ist tiefste Bewunderung, nichts we i ter. Davon erfüllt, fühlt man sich wie im siebenten Himmel und malt sich im Geist held i sche Situationen aus, in welchen man dem Geliebten von Nu t zen sein kann. Man geht in ein Seuchenhaus, um ihn zu pflegen. Rettet ihn aus dem Fe u er. Schützt ihn vor einer tödl i chen Kugel. Keiner dieser Wachträume hat je ein Happy End. Man findet selbst den Tod in den Flammen, wird erschossen oder geht an der Seuche zu Grunde. Der Held weiß nicht einmal, dass man ihm sein Leben geopfert hat.
Die Monate vergingen. Philip wurde Leutnant zur See und verließ die Britannia. Mit der Zeit verblasste sein Bild. Die Liebe verging und kehrte erst drei Jahre später z u rück, als ich für einen großen, dunklen, jungen Haup t mann schwärmte, der meiner Schwester den Hof machte.
Ashfield war Zuhause und wurde als solches angesehen; E a ling aber war ein begeisterndes Erlebnis. Es besaß die romant i sche Ausstrahlung eines fremden Landes. Eine seiner Her r lichkeiten war die Toilette – einschließlich des wunderbar gr o ßen Sitzbrettes aus Mahagoni. Wenn ich darauf saß, fühlte ich mich wie eine Königin auf dem Thron. Hierher zog ich mich des Morgens zurück, nahm feierlich Platz, neigte huldvoll mein Haupt, gewährte A u dienzen, streckte meine Hand aus, um sie küssen zu la s sen – bis ich dringend aufgefordert wurde, herausz u kommen, weil auch andere die Toilette aufzusuchen wünschten. An der Wand hing eine farbige Karte von New York, die mich sehr interessierte. Es gab mehrere amerikan i sche Buntdrucke im Haus. Im Gastzimmer gab es einige, die mir besonders gut gefielen. Eines, »Wi n tersport« betitelt, zeigte einen Mann auf einer Eisdecke, der durch ein kleines Loch einen Fisch herau s zog. Es schien mir ein eher trübseliger Sport zu sein.
Da Vater die Nichte seiner Stiefmutter (der englischen zwe i ten Frau seines amerikanischen Vaters) geheiratet hatte, und da er sie Mutter rief, während seine Gattin sie weiterhin Tantchen nannte, lautete ihre offizielle B e zeichnung »Omatante«. In den letzten Jahren seines L e bens war mein Großvater ständig zw i schen New York, wo seine Firma ihren Sitz hatte, und Ma n chester, wo sich die englische Niederlassung befand, hin- und hergepe n delt. Er war der Held einer typischen amerikanischen Erfolgsgeschichte. Als armer Junge war er aus Massach u setts nach New York gekommen, hatte als Laufbursche in einer Firma angefangen und es mit den Jahren zum Tei l haber gebracht. Er erwarb ein großes Vermögen. Haup t sächlich, weil er seinen Mitme n schen zu sehr vertraute, ließ mein Vater es dann aber dahinschwinden. Was noch übrig blieb, brachte mein Bruder im Eiltempo durch.
Nicht lange bevor er starb, hatte mein Großvater ein großes Haus in Cheshire gekauft. Er war damals schon ein kranker Mann, und seine zweite Frau wurde in ve r hältnismäßig jungen Ja h ren Witwe. Sie blieb eine Zeit in Cheshire wohnen, kaufte aber dann in Ealing ein Haus, das damals praktisch »auf dem Land« stand. Wie sie oft erzählte, gab es ringsum nur Felder. Als ich sie das erste Mal besuchen kam, konnte ich das kaum glauben. Ganze Reihen sauberer Häuschen erstreckten sich nach allen Richtungen.
Omas Haus und Garten übten eine besondere Faszin a tion auf mich aus. Ich teilte das Kinderzimmer in mehr e re »Territorien« auf. Der vordere Teil hatte ein Erkerfen s ter und auf dem Fußboden einen gestreiften Läufer, er wurde von mir »Murielzimmer« genannt (vie l leicht, weil man diese Art Fenster damals »Oriels« nannte). Der hi n tere Teil, mit einem Brüsseler Te p pich ausgelegt, war der Speisesaal. Verschiedene Matten und Linoleumflecken wies ich anderen »Räumen« zu. Vor mich hinmurmelnd schritt ich geschäftig und wichtigt u erisch von einem Raum meines Hauses zum anderen.
Nicht weniger faszinierend war Omatantes Bett, ein ri e siges Himmelbett aus Mahagoni –, eingeschlossen von roten D a mastvorhängen. Es war ein Federbett, und früh am Morgen, bevor ich mich anzog, kam ich ins Zimmer gehuscht und hüpfte hinein. Oma war schon um sechs Uhr wach und hieß mich immer freundlich willkommen. Unten war der Salon, voll von Möbeln mit reicher Inta r sienarbeit und Meißener Porze l lan. Wegen des draußen errichteten Observatoriums war der Raum aber in immer währende Düsternis gehüllt. Der Salon wurde nur bei Einladungen benützt. Daneben lag das Frühstückszi m mer, wo sich meistens eine Nähmamsell aufhielt.
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