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Meine gute alte Zeit - Teil I

Meine gute alte Zeit - Teil I

Titel: Meine gute alte Zeit - Teil I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Schulmeister war, schritt, mit einem Knüppel aus Ze i tungspapier bewaffnet, vor uns auf und ab und schleuderte uns in barschem Ton Fr a gen entgegen: »Wann wurde die Nadel erfunden? Wie hieß die dritte Frau Heinrichs VIII.? Auf welche Weise kam William Rufus zu Tode? Von welchen Krankheiten wird der We i zen befa l len?« Wer eine richtige Antwort gab, rückte um einen Platz vor, wer sie verfehlte, rückte zurück. Das war wohl der viktorianische Vorläufer der Quizspiele, die uns heutzutage so viel Spaß machen. Anschli e ßend setzten sich die Onkel ab, sie hatten ihre Pflichten gegenüber Mutter und Tante erfüllt. Oma B. blieb noch zum Tee, dann kam der schreckliche Augenblick, wenn Harriet mit den Knopfstiefeln erschien und sich daran machte, die Füße ihrer Herrin hineinzupressen. Bejammern s wert war es, dabei zuzusehen, und es muss schrecklich gew e sen sein, die Tortur über sich ergehen zu lassen. Oma B.s arme Knöchel waren am Ende des Tages angeschwollen wie Puddinge. Um die Knöpfe mithilfe eines Sti e felknöpfers in ihre Löcher zu zwängen, bedurfte es ang e strengten und quälenden Kneifens und Que t schens, das ihr spitze Schmerzensschreie entlockte. Oh, diese Knop f sti e fel! Warum trug man sie nur? Wurden sie von Ärzten empfohlen? War es ein sklavisches Opfer, das man der Mode brachte? Ich weiß, es hieß, Stiefel wären gut für Kinderfüße, um die Knöchel zu stützen und zu stärken, aber dieses Argument ließ sich doch kaum auf eine alte Dame von siebzig anwenden!
     
    Ealing hatte in jener Zeit die gleichen charakteristischen Merkmale wie Cheltenham oder Leamington Spa. Der »fr i schen Luft« und der Vorteile wegen, die die Nähe Londons bot, versammelte sich dort eine große Zahl pe n sionierter A r mee- und Marineoffiziere. Oma führte ein in jeder Hinsicht gesellschaftsbezogenes Leben – sie war zeit ihres Lebens eine gesellige Frau. Ihr Haus war immer voll von alten Obersten und Generälen, für die sie We s ten und Jacken bestickte und Bettsocken strickte: »Ich hoffe, Ihre Frau wird nichts d a gegen haben«, sagte sie, wenn sie ihnen die Geschenke überreichte, »ich möchte keine Scherereien haben!« Die alten Herren gaben gala n te Antworten und entfernten sich, stolz auf die Wirkung ihrer männlichen Reize, mit dem Gefühl, immer noch ein ga n zer Kerl zu sein. Ihr verstaubt-schneidiges Auftreten schüchterte mich ein. Ich fand die Scherze, die mich b e lustigen sol l ten, überhaupt nicht witzig, und ihre listig-schelmische, spött i sche Art machte mich nervös.
    »Und was möchte die junge Dame zum Nachtisch? E t was Süßes für die kleine Süße? Ein Pfirsich vielleicht? Oder eine von diesen goldenen Reineclauden, die so gut zu deinen blo n den Locken passen?«
    Rot vor Verlegenheit bat ich um einen Pfirsich.
    »Und welcher Pfirsich soll es sein? Such dir einen aus.«
    »Bitte«, murmelte ich, »ich möchte den größten und den be s ten.«
    Brüllendes Gelächter. Ohne es zu wissen, schien ich e i ne witzige B e merkung gemacht zu haben.
    »Du darfst nie das größte Stück verlangen«, erklärte mir Nursie sp ä ter. »Das klingt gefräßig.«
    Ich war bereit zuzugeben, dass es gefräßig klang, aber was war da r an so spaßig?
    Wenn es um gutes Betragen in der Gesellschaft ging, war Nursie in i h rem Element.
    »Du musst schneller essen. Nimm doch einmal an, du würdest, wenn du erwachsen bist, bei einem Herzog d i nieren.«
    Nichts erschien mir unwahrscheinlicher, aber ich schloss die Möglic h keit nicht aus.
    »Dort wird es einen Butler geben und mehrere Lakaien, und im geg e benen Moment nehmen sie dir den Teller weg, ob du nun aufgege s sen hast oder nicht.«
    Der Gedanke ließ mich erblassen, und ich nahm ene r gisch meinen Hammelbraten in Angriff.
    Nursie wusste häufig Episoden aus dem Leben der Aristokratie zu e r zählen. Sie spornten meinen Ehrgeiz an. Ich wollte unbedingt eines T a ges den Titel Lady führen dürfen. Aber Nursies gesellschaftliches Wissen machte mir einen Strich durch die Rechnung.
    »Das wirst du niemals dürfen«, sagte sie.
    »Niemals?« Ich war entsetzt.
    »Niemals«, sagte Nursie, eine Realistin reinsten Wassers. »Um eine L a dy Agatha zu sein, müsstest du schon so geboren werden. Du müs s test die Tochter eines Herzogs, eines Marquis oder eines Earls sein. Wenn du einen He r zog heiratest, wirst du Herzogin, aber nur, weil dein Mann diesen Titel besitzt. Das hat dann nichts mit deiner Geburt zu tun.«
    Darüber sollte man sich

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