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Meine gute alte Zeit - Teil I

Meine gute alte Zeit - Teil I

Titel: Meine gute alte Zeit - Teil I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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bettelten: »Erlöse mich von ihr! Bitte erlöse mich von ihr!« Mit fester Hand schob Mutter Mademoiselle Ma u hourat zur Tür.
    »Ich halte es für besser, wenn Agatha heute Nachmittag R u he hat«, sagte sie. Sie begleitete sie hinaus, kam zurück und sah mich kopfschü t telnd an. »Alles schön und gut«, meinte sie, »aber du brauchst nicht so schreckliche G e sichter zu schne i den.«
    »Gesichter?«
    »Ja. Alle diese Grimassen und die Blicke, die du mir z u geworfen hast. Mademoiselle Mauhourat hat bestimmt gemerkt, dass du sie forthaben wolltest.«
    Ich war bestürzt. Ich hatte nicht unhöflich sein wollen.
    »Aber Mama«, wandte ich ein, »ich habe doch keine französischen G e sichter geschnitten. Es waren englische Gesichter.«
    Mutter fand das sehr spaßig und erklärte nur, dass G e sichterschne i den eine Art internationaler Sprache wäre, die man in allen Ländern verstand. Trotzdem berichtete sie Vater, dass Mademoiselle Mauhourat ansche i nend nicht die Richtige wäre und dass sie sich anderweitig u m sehen würde. Vater hatte nichts dagegen. »An Agathas Stelle«, sagte er, »würde ich diese Frau genauso unerträ g lich finden.«
    Befreit von den Liebesdiensten Mademoiselle Mauho u rats und Miss Markhams begann ich mich meines neuen Lebens zu erfreuen. Im Hotel wohnte auch Mrs Selwyn, die Witwe oder vielleicht auch die Schwiege r tochter von Bishop Selwyn, und ihre zwei Töchter, Dorothy und M a ry. Dorothy (Dar) war ein Jahr älter als ich, Mary ein Jahr jünger. Bald waren wir unze r trennlich.
    Mir selbst überlassen, war ich ein gutes, artiges und g e ho r sames Kind. In Gesellschaft anderer Kinder allerdings war ich stets für jeden Schabernack zu haben. Im Beso n deren machten wir drei den unglücklichen Kellnern an der table d’hôte das Leben sauer. Einmal leerten wir alle Salzfässer aus und füllten sie mit Zucker. An einem and e ren Abend schnitten wir Schweinchen aus Orangensch a len und legten sie, kurz bevor die Gl o cke zur table d’hôte geläutet wurde, auf alle Teller.
    Diese französischen Kellner waren die gutmütigsten Menschen, die man sich vorstellen kann. Dabei denke ich vor allem an Victor, unseren eigenen Kellner. Er war ein kleiner, breitschultriger Mann mit einer la n gen höckerigen Nase. Nach meinem Dafürhalten stank er ganz entset z lich – es war meine erste Begegnung mit Knoblauch. Trotz aller Streiche, die wir ihm spielten, grollte er uns nicht und bemühte sich sogar, b e sonders nett zu uns zu sein. Wenn wir nie in ernste Schwieri g keiten gerieten, so nur, weil der gute Victor sich nie bei der Direktion oder bei unseren Eltern über uns beklagte.
    Meine Freundschaft mit Dar und Mary bedeutete mir weit mehr als irgendeine meiner bisherigen Freundscha f ten. Mögl i cherweise hatte ich ein Alter erreicht, in dem ich dazu neigte, lieber an gemeinschaftlichen Unterne h mungen teilzunehmen, als auf eigene Faust an die Dinge hera n zugehen. Zusammen trieben wir viel Unfug und hatten eine Menge Spaß in diesen Wintermonaten. Natü r lich gerieten wir durch unsere Streiche oft in Schwieri g keiten, aber nur in einem Fall empfanden wir gerechten Zorn über eine Rüge, die uns erteilt wurde.
    Mutter und Mrs Selwyn saßen friedlich plaudernd z u sammen, als das Zimmermädchen ihnen eine Botschaft überbrachte: »Mit besten Empfehlungen von der belg i schen Dame, die im Nebentrakt des Hotels wohnt. Wi s sen Mrs Selwyn und Mrs Miller, dass ihre Töchter auf der Brüstung des vierten Stocks spazieren gehen?«
    Man stelle sich die Gefühle der zwei Mütter vor, als sie in den Hof hinaus eilten, nach oben sahen und drei Ge s talten erblickten, die frö h lich im Gänsemarsch über einen knapp dreißig Zentimeter breiten Mauersims balancie r ten. Es kam uns keinen Augenblick in den Sinn, dass wir uns in Gefahr befanden. Wir hatten eines der Stube n mädchen über Gebühr gepiesackt, und es war ihr gelu n gen, uns in eine Bese n kammer zu locken und dann die Tür von außen zuzuschließen. Triu m phierend hatte sie den Schlüssel im Schloss umgedreht. Wir waren sehr e m pört. Was war zu tun? Die Kammer hatte ein kleines Fenster. Dar steckte den Kopf hinaus und sagte, sie hielte es für mö g lich, uns durchzuwinden und dann auf dem Sims um die Ecke zu gehen und durch ein offenes Fen s ter wieder ins Haus zu gelangen. G e sagt, getan. Dar schlängelte sich als Erste durch, dann ich, dann Mary. Zu unserer Freude stellten wir fest, dass es ganz leicht war, über den Mauervo r

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