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Meine gute alte Zeit - Teil I

Meine gute alte Zeit - Teil I

Titel: Meine gute alte Zeit - Teil I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Neubesetzungen jemandem g e lang, sich auf unrechte Weise zu bereichern, weiß ich nicht. Die Lage wurde jedenfalls immer schlimmer.
    Vater war bestürzt und niedergeschlagen, doch da er keine geschäftl i che Erfahrung besaß, wusste er nicht, was er tun sollte. Er schrieb an den guten alten Soundso und an andere gute alte Freunde. In ihren Antworten versuc h ten sie, ihm Mut zu machen, und gaben der schlechten Wirtschaftslage, der Geldabwertung und anderen Dingen die Schuld. Zu dieser Zeit fiel ihm das Legat einer älteren Tante zu, das ihn für ein oder zwei Jahre über die Runden brachte, während das Einkommen, das ihm hätte ausb e zahlt werden sollen, einfach nicht eintraf.
    Zur gleichen Zeit auch begann er zu kränkeln. Er erlitt wi e derholt »Herzanfälle«, ein unverbindlicher Terminus, der alles mögliche b e deuten konnte. Es waren wohl die finanziellen Sorgen, die seine G e sundheit angriffen. Es wurde zunächst für nötig befunden, sparsamer zu leben. Die in jenen Tagen als zweckdienlich angesehene Meth o de bestand darin, für eine kleine Weile Aufenthalt im Ausland zu nehmen, wo die Lebenskosten niedriger w a ren. Man vermietete sein Haus einschließlich Diene r schaft zu einem angemessenen Zins und ging nach Sü d frankreich, wo man in einem halbwegs erschwinglichen H o tel logierte.
    Ich war, glaube ich, sechs Jahre alt, als eine solche Übersiedlung stat t fand. Ashfield wurde programmgemäß vermietet – an Amerikaner, die einen guten Mietpreis zahlten –, und die Fam i lie bereitete ihre Abreise vor. Wir wollten nach Pau in Sü d frankreich. Ich war natürlich sehr au f geregt. Wo wir hinfuhren, sagte Mutter, würden wir Berge sehen. Ich stellte viele Fragen über diese Berge. Waren sie sehr sehr hoch? Höher als der Kirchturm von St. Mary? Ich kannte nichts Höh e res. Ja, sie waren viel, viel höher. Sie waren Hunderte, Tausende von Fuß hoch. Ich zog mich mit Tony in den Garten zurück, um mir das durch den Kopf gehen zu lassen. An einem großen Stück Brot kauend, versuchte ich mir ein Bild von Bergen zu m a chen. Ich legte den Kopf zurück und starrte zum Himmel hinauf. So also würden die Berge aussehen – ihre Gipfel würden sich in den Wolken verlieren. Der Geda n ke flößte mir ehrfürchtige Scheu ein. Mutter liebte das Gebirge. Ich war ganz sicher, dass die Berge ein ganz großes Erlebnis für mich sein würden.
    Unsere Reise ins Ausland brachte etwas für mich sehr Schmerzliches mit sich: Ich musste mich von Tony tre n nen. Er wurde zu Froudie, einem früheren Stubenmä d chen, in Kost gegeben. Froudie, die mit einem Zimme r mann verheiratet war und nicht weit von uns woh n te, war durchaus bereit, Tony bei sich aufzunehmen.
    Aus heutiger Sicht gesehen, reiste man damals unter außergewöhnl i chen Umständen. Es gab natürlich keine Reisepässe und keine Formulare, die man ausfüllen mus s te. Man kaufte die Fahrkarten und bestellte Schlafwage n abteile – das war alles. Ganz einfach. Aber das Packen! Ich weiß nicht, woraus das Gepäck der restlichen Familie bestand, aber ich kann mich recht gut erinnern, was Mu t ter mitnahm. Da waren zunächst drei Reisekisten. Die größte war über einen Meter hoch und hatte zwei Einsä t ze. Dann gab es Hutschachteln, große Lede r koffer, drei Schrankkoffer und einige amerikanische Überse e koffer, wie man sie damals in den Gängen von Hotels sah. Sie waren enorm groß und bestimmt übe r mäßig schwer.
    Zumindest eine Woche lang vor unserer Abreise war Mutter in i h rem Schlafzimmer von Koffern umgeben. Da wir nach damaligen Begriffen nicht reich waren, hatten wir keine Kammerzofe, und Mu t ter musste das Packen alleine besorgen. Vorher aber kam noch, was wir »Au s sortieren« nannten. Die Schubladen und die großen Schränke standen weit offen, während Mutter unter and e rem Kunstblumen au s sortierte, sowie allen möglichen Krimskrams, den sie als »meine Bänder« und »me i nen Schmuck« bezeichnete.
    Schmuck bestand nicht so wie heute aus ein paar »ec h ten Stücken« und großen Mengen von Modeschmuck. Von Strass abgesehen, galt es als »geschmacklos«, Imitat i onen zu gebrauchen. Mutters wertvollster Schmuck b e stand aus »meiner Bri l lantspange, meinem Brillantdiadem und meinem Brillantring«. Der Rest ihrer Schätze war ebenfalls echt, aber nicht gar so kostbar, dennoch für uns alle von großem Interesse. Dazu gehörte »meine indische Halskette«, »meine florentinische Garnitur«, »meine ven e zianische Halskette«,

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