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Meine gute alte Zeit - Teil I

Meine gute alte Zeit - Teil I

Titel: Meine gute alte Zeit - Teil I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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bedeckten Berge.«
    Ich sah. Es war eine der größten Enttäuschungen me i nes Lebens, eine Enttäuschung, die ich nie vergessen h a be. Wo war die himmelstürmende Höhe, hoch, hoch hi n auf, über alle Grenzen des Bewusstseins und des Ver s tandes hinaus? Statt dessen sah ich in einiger Entfernung etwas am Horizont, das mir wie eine Reihe von Zähnen vorkam, die kaum Hand breit über die Ebene hinausra g ten. Waren das Berge? Ich sagte nichts, aber noch heute fühle ich diese entsetzliche Enttä u schung.
     
     
    2
     
    Wir blieben wohl etwa sechs Monate in Pau. Es war ein völlig neues Leben für mich. Vater und Mutter und Ma d ge entfa l teten ungeheure gesellschaftliche Aktivität. Vater traf mehrere amerikanische Freunde, er lernte Hotelgäste kennen, und überdies hatten wir Empfehlungsschre i ben für eine Menge Leute, die dort weilten.
    Für mich engagierte Mutter eine Art Kinderfräulein – Gouvernante – eine junge Engländerin, die aber ihr ga n zes Leben in Pau verbracht hatte und Französisch ebenso gut wie En g lisch sprach, wenn nicht sogar noch besser. Von ihr sollte ich Französisch lernen. Aber die Erwa r tungen meiner Mutter e r füllten sich nicht. Miss Markham erschien jeden Mo r gen, um mit mir spazieren zu gehen. Dabei lenkte sie meine Aufmer k samkeit auf verschiedene Objekte und wiederholte ihre Bezeichnung auf Franz ö sisch. »Un chien.«
    »Une maison.«
    »Un gendarme.«
    »Le boulanger.« Pflichtschuldigst wiederholte ich die Wörter, aber wenn ich etwas zu fragen hatte, fragte ich natürlich auf englisch, und Miss Markham antwortete mir auf Englisch. Es waren ermüdende Tage für mich: die endlosen Spaziergänge in Gesellschaft Miss Markhams; sie war nett, freundlich, gewi s senhaft und langweilig.
    Mutter erfasste sehr bald, dass ich bei Miss Markham niemals Französisch lernen würde und dass ich Franz ö sischstunden von einer Fra n zösin bekommen müsse, die jeden Nachmittag kommen würde. Diese Neue r werbung war Mademoiselle Mauhourat. Sie war groß, strotzte vor Gesundheit und bevo r zugte als Kleidung zahllose kleine, braune Umhänge.
    Mademoiselle Mauhourat war eine sehr überschwängl i che Person, und Überschwang schüchterte mich ein. Es fiel mir immer schwerer, auf ihr girrendes Quieken g e ziemend zu reagieren. »Oh, la chère mignonne! Qu’elle est ge n tille, cette petite! Oh, la chère mignonne! Nous allons prendre des leçons tres amusantes, n’est-ce pas?« Ich sah sie höflich, aber kühl an, ich glaubte nicht, dass dieser Unterricht wirklich lustig sein würde. Wenn Mutter mir dann einen strengen Blick zuwarf, murmelte ich nicht eben überzeugend: »Oui, merci«, was ungefähr das Total meiner damaligen Französischkenntnisse da r stellte.
    Die Französischstunden gingen friedlich weiter. Wie immer war ich willig, aber offenbar auch schwer von Be g riff. Mutter, die schnelle Erfo l ge schätzte, war mit meinen Fortschritten nicht zufrieden.
    »Sie kommt nicht so voran, wie sie sollte«, klagte sie bei V a ter.
    »Lass ihr doch Zeit, Clara«, erwiderte mein stets ve r ständnisvoller V a ter. »Lass ihr Zeit. Die Frau kommt doch erst seit zehn Tagen.«
    Aber Mutter war nicht der Mensch, der anderen Zeit ließ. Der Höhepunkt kam, als ich an einer leichten Gri p pe erkran k te, die dann in eine Schleimhautentzündung überging. Ich hatte Fieber und fühlte mich gar nicht wohl. Als Rekonvaleszentin mit leichter Temperatur konnte ich den Anblick Mademoiselle Mauhourats nicht ertragen!
    »Bitte, erlass mir heute Nachmittag die Französisc h stunde«, bettelte ich. »Ich möchte nicht.«
    Mutter war immer verständnisvoll, wenn es gute Grü n de gab. Sie stimmte zu. Als Mademoiselle Mauhourat zur gewoh n ten Zeit mit ihren Umhängen erschien, erklärte ihr Mutter, dass ich immer noch Fieber hätte und zuha u se bleiben müsse. Es wäre vielleicht besser, die Stunde für heute ausfallen zu lassen. Mademoiselle Mauhourat war nicht zu halten. Aufg e regt, mit flatternden Umhängen, die Hände zusammenschl a gend, eilte sie an mein Bett und beugte sich schwer a t mend über mich. »Oh, la pauvre mignonne, la pauvre petite migno n ne!« Sie würde mir vorlesen, sagte sie, sie würde mir Geschichten e r zählen.
    Ich warf Mutter verzweifelte Blicke zu. Ich konnte es nicht ertragen! Ich konnte es keine Sekunde länger ertr a gen! Mademoiselle Mauho u rats Stimme gellte mir in den Ohren. Schrill, quäkend – alles, was mir an einer Stimme missfiel. Meine A u gen

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