Meine gute alte Zeit - Teil I
garçon sérieux. Er wird ein guter Eh e mann sein.«
Vater war, glaube ich, der einzige, der ihn nicht mochte, aber das ist wohl unvermeidlich bei Vätern hübscher und charma n ter Töchter – Schwiegersöhne wie die, die sie sich wünschen, gibt es gar nicht. Mütter haben angeblich eine ähnliche Einste l lung, was die Frauen ihrer Söhne anbetrifft.
Eine der großen Freuden unseres Lebens war das Stad t theater. Wir w a ren alle Theaternarren in unserer Familie. Madge und Monty gi n gen praktisch jede Woche, und ich durfte sie oft begleiten. Je älter ich wurde, desto häufiger ging ich mit. Wir saßen immer im Parkett – das Parterre galt als »unfein«. Es kostete einen Shilling. Das Parkett b e gann zehn oder zwölf Reihen nach den Sperrsitzen, und dort saß die Familie Miller und genoss alle Arten von Theateraufführungen.
Ich weiß nicht, ob es das erste Stück war, das ich sah, eines der ersten war es sicher: Herz ist Trumpf, ein turb u lentes Mel o drama schlimmster Sorte. Ein schurkisches Weib kam darin vor, Lady Winifred, und ein wunde r schönes Mädchen, das man um sein Vermögen betrogen hatte. Revolver wurden a b gefeuert, und ich erinnere mich noch deutlich an die letzte Szene, in der ein junger Mann an einem Seil in den Alpen hing und dann das Seil ze r schnitt und einen heldenhaften Tod starb, um das Mä d chen zu retten, das er liebte – oder vie l leicht auch den Mann, der das Mädchen, das er liebte, liebte!
Eines der großen Ereignisse des Jahres war die To r quay-Regatta, die am letzten Montag und Dienstag im August gesegelt wurde. Schon Ende Mai fing ich an, da r auf zu sparen, denn wenn ich von der Regatta spr e che, meine ich nicht so sehr den Wettkampf der Jachten, als vielmehr den darauffo l genden Jahrmarkt. Madge ging natürlich mit Vater zum Ha l don Pier, um dem Segeln zuzusehen, und meistens ha t ten wir Gäste zuhause, die abends am Regattaball teilnahmen. Madge segelte nie mehr als unbedingt nötig, denn sie war zeit ihres Lebens nicht seefest. Hing e gen wurde den Booten unserer Freunde lebhaftes Interesse entgegengebracht. Es gab Pic k nicks und Partys, doch das war die gesellschaftliche Seite der Regatta, und ich war noch zu klein dafür.
Die große Freude meines Lebens, der ich erwartung s voll entgege n sah, war der Jahrmarkt. Es gab Karussells, wo man auf Pferden mit Mähnen saß, und eine Art Ac h terbahn, wo man steile Abhänge hinauf- und hinunte r sauste. Nicht zu ve r gessen die Schaubuden – die Dame ohne U n terleib; Madame Arensky, die die Zukunft aus der Hand las; die mensc h liche Spinne, gar schrecklich anzusehen; der Schießstand, an dem Madge und Monty immer viel Zeit verbrachten und viel Geld ausgaben. An einem anderen Stand konnte man mit Bällen nach K o kosnüssen werfen, und Monty gewann immer eine ganze Menge davon und brachte sie mir nachhause. Kokosnü s se liebte ich heiß. Hin und wieder durfte ich auch selbst werfen, wobei der Budenbesitzer mir zuvorkommende r weise erlaubte, so weit vorzutreten, dass ich manchmal eine Kokosnuss e r wischte.
Wurfringe, Teufelsscheiben und Kettenflieger waren damals noch nicht bekannt. Es gab verschiedene Buden, die alles mögliche Zeug verkau f ten. Meine besondere Liebe galt den so genannten Pennyäf f chen. Sie kosteten einen Penny. Es waren flaumige, flockige kleine Figuren von Affchen an einer langen Nadel, die man sich an den Mantel steckte. J e des Jahr kaufte ich sechs bis acht Stück davon und verleibte sie meiner Sam m lung ein – blau, grün, braun, rot, gelb. Mit den Jahren wurde es immer schwieriger, eine neue Farbe und ein neues Modell zu finden.
Das köstliche Nougat wurde nur auf dem Jahrmarkt feilgeboten. Hinter einem Tisch stand ein Mann vor e i nem riesigen weiß und rosa gefär b ten Block Nougat, von dem er kleine Stücke abhackte und sie schreiend und ge s tikulierend verste i gerte. »Nun, meine kleinen Freunde, sechs Pence für das Ri e senstück hier! Gut, Schätzchen, ich schneide es dir in die Häl f te. Und wie wäre es jetzt mit dem da zu vier Pence?« und so we i ter, und so weiter. Er hatte auch schon fertige Päckchen zu zwei Pence, aber der Spaß war, bei der Versteigerung mit dabei zu sein. »Da, für das kleine Fräulein. Ja, dreieinhalb Pence für dich.«
Goldfische kamen als Neuigkeit erst auf, als ich zwölf war. Es war eine große Sensation. Der ganze Stand war voll von Goldfischgläsern, jedes mit einem Fisch, und man warf Pin g pongbälle danach. Wenn ein Ball
Weitere Kostenlose Bücher