Meine gute alte Zeit - Teil I
genblick warten, und so weiter. Ich erinnere mich an ein kleines Mä d chen – es war ganze zwei Jahre alt –, dessen Mutter sich gegen den Rat ihrer erfahrenen Kinderfrau hatte überreden lassen, das Kind auf eine Pa r ty mitzubringen. »Annette ist doch so süß, sie muss kommen. Ich bin sicher, es wird ihr gefallen, und wir werden alle gut auf sie aufpassen.« Gleich nach ihrer A n kunft auf der Party setzte die Mutter – sicher ist sicher! – die Kleine aufs Töpfchen. In ihrer fiebe r haften Erregung war Annette nicht imstande, ihr kleines Geschäft zu erl e digen. »Na ja, vie l leicht hat sie wirklich keine Not«, sagte die Mutter hoffnungsfroh. Sie gingen hinunter, und ger a de als der Za u berkünstler alle möglichen Dinge aus den Ohren und aus der Nase zog und die Kinder zum Lachen brac h te, und als alle um ihn herumstanden und schrien und applaudierten, ereignete sich die Katastrophe.
»So etwas hast du noch nicht erlebt, meine Liebe«, sagte eine ältere Tante, als sie Mutter über diesen Vorfall b e richtete, »das arme Kind. Mi t ten auf den Fußboden. Wie ein Pferd.«
Marie muss einige Zeit vor meines Vaters Tod nach Fran k reich zurückgekehrt sein – vielleicht ein oder zwei Jahre vo r her. Sie hatte sich auf zwei Jahre verpflichtet, war aber minde s tens ein Jahr länger geblieben. Sie hatte Heimweh nach ihrer Familie. Davon abgesehen, war sie ein vernünftiges und pra k tisch veranlagtes Mädchen und kam zu der Übe r zeugung, dass es an der Zeit war, sich nach guter alter französischer Art G e danken über die Ehe zu machen. Von ihrem Lohn hatte sie sich eine hübsche kleine dot zusammengespart, und so vera b schiedete sich Marie unter vielen Tränen und zärtlichen U m armungen von ihrer »lieben Miss« und ließ mich sehr einsam zurück.
Aber schon vor ihrer Abreise hatten wir über die Frage, wen meine Schwester heiraten würde, Einigung erzielt. Wie ich bereits erzählt habe, war dies eines unserer stä n digen G e sprächsthemen gewesen. Marie hatte stets auf le Monsieur blond getippt.
Mutter, die als Mädchen bei ihrer Tante in Cheshire le b te, hatte eine Schulfreundin, mit der sie sich sehr gut verstand. Als Annie Browne James Watts und Mutter ihren Stiefvetter Frederick Miller heiratete, ve r sprachen sich die zwei Mädchen, dass sie einander nie vergessen und immer korrespondieren und Neuigkeiten austa u schen würden. Und obwohl meine Gro ß mutter von Cheshire nach London zog, bli e ben die beiden jungen Frauen in Kontakt miteinander. Annie Watts hatte fünf Kinder, Mutter drei. Sie tauschten Fotografien ihrer Ki n der in den verschiedenen Altersstufen und schickten i h nen Geschenke zu Weihnac h ten.
Als meine Schwester zu Besuch nach Irland fuhr, um sich zu entscheiden, ob sie sich mit einem gewissen ju n gen Mann ve r loben sollte, der sie unbedingt heiraten wollte, berichtete Mu t ter Annie Watts von Madges Reise, und Annie bat Madge, auf der Rückfahrt von Holyhead nach A b ney Hall in Cheshire zu kommen. Sie hätte so gern eines von Mutters Kindern kennen gelernt.
Nachdem Madge eine schöne Zeit in Irland verlebt und den En t schluss gefasst hatte, Charlie P. nun doch nicht zu heiraten, unterbrach sie also ihre Rückreise und b e suchte die Watts. James, der älteste Sohn, damals einun d zwanzig oder zweiun d zwanzig, war ein ruhiger, blonder junger Mann, der noch in Oxford studierte. Er hatte eine san f te leise Stimme, redete nicht viel und schenkte meiner Schwester weit weniger Aufmerksamkeit, als das die mei s ten jungen Männer taten. Sie fand das so bemerkenswert, dass es ihr Interesse erregte. Sie gab sich große Mühe mit James, war sich aber nicht s i cher, wie sie auf ihn gewirkt hatte.
In Wahrheit war er vom ersten Augenblick an beza u bert von ihr gew e sen, aber es lag nicht in seiner Natur, solche Gefühle zu zeigen. Er war schüchtern und z u rückhaltend. Im folgenden Sommer kam er uns bes u chen. Er gefiel mir gleich sehr gut. Er war lieb zu mir und nahm mich immer ernst. Er machte keine dummen Witze und behandelte mich auch nicht wie ein kleines Kind. Auch auf Marie machte er einen guten Ei n druck, und so kam es, dass wir uns in der Nähstube ständig über le Mo n sieur blond unterhielten.
»Ich glaube nicht, dass sie einander sehr mögen, Marie.«
»Ah, mais oui, er denkt sehr viel an sie und beobachtet sie, wenn sie es nicht merkt. O ja, il est bien épris. Und es würde eine gute Ehe sein. Er hat gute Aussichten und ist tout à fait un
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