Meine gute alte Zeit - Teil I
privaten Gespräch zum Vorschein: »Du hast sicher ganz Recht mit dem, was du gesagt hast, John, aber ich frage mich, ob du auch daran g e dacht hast, dass…«
In einer Beziehung war der Mann unangreifbar: Er war der Herr des Hauses. Wenn eine Frau heiratete, akzeptie r te sie seine Lebensweise und die Stellung, die er in der Welt ei n nahm. Das scheint mir eine gesunde Grundlage für eine glüc k liche Zukunft zu sein. Wenn du dich mit dem Leben deines Zukünftigen nicht abfinden kannst, nimm den Job nicht – mit anderen Worten, heirate diesen Mann nicht. Da haben wir zum Beispiel einen Texti l großhändler; er ist Katholik, er zieht es vor, am Stad t rand zu wohnen, er spielt Golf, und er verbringt seinen Urlaub gerne am Meer. Das heiratest du. Entschließe dich, an all dem Gefallen zu finden. So schwer wird es schon nicht sein.
Es ist erstaunlich, wie viel Gefallen man praktisch an a l lem und j e dem finden kann. Man kann an jeder Speise und an jeder Lebensweise Gefa l len finden. Am Leben auf dem Lande, an Hunden, an Spazie r gängen im Nebel, an Städten, Menschen, Krach und Radau. Auf der einen Se i te wird dir Erholung und Entspannung geboten, du hast Zeit zum Lesen, Stricken und Sticken, und du kannst dir das Vergnügen gönnen, alle möglichen Dinge zu pfla n zen. Auf der anderen Seite gibt es Theater, Kunstgalerien, gute Konzerte und die Gelegenheit, dich mit Freunden zu treffen, die du sonst nur selten zu Gesicht b e kommen würdest. Ich b e sitze die Gabe, mich eigentlich an allem erfreuen zu können.
Als ich einmal mit dem Zug nach Syrien fuhr, unterhielt mich eine Reisegefährtin damit, dass sie mir einen Vo r trag über den Magen hielt. »G e ben Sie nie Ihrem Magen nach«, riet sie mir. »Wenn Ihnen etwas nicht bekommt, sagen Sie sich: ›Wer ist hier der Herr im Haus: ich oder mein Magen?‹«
»Aber was tun Sie in einem solchen Fall wirklich?«, fra g te ich ne u gierig.
»Jeder Magen lässt sich erziehen. Zu Beginn nur in ganz kleinen Dosen. Ganz gleich, was es ist. Ich konnte zum Be i spiel Eier nicht vertragen, und von geschmolzenem Käse b e kam ich fürchterliche Schmerzen. Also: ein oder zwei Löffel voll weichgekochtes Ei zwei oder drei Mal die Woche, und dann ein bisschen mehr Rührei, und so we i ter. Und jetzt kann ich jede Menge Eier essen. Genauso ging es mit dem geschmolz e nen Käse. Vergessen Sie nie: Der Magen ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr.«
Ich war sehr beeindruckt, versprach, ihrem Rat zu fo l gen, und habe es auch getan – was mir, da ich einen au s gesprochen untertänigen Magen besitze, allerdings nicht sehr schwerfiel.
3
Nach Vaters Tod fuhr Mutter mit Madge nach Südfran k reich, und ich blieb – unter Janes wachsamem Auge – drei Wochen allein in Torquay. In dieser Zeit entdeckte ich einen neuen Sport und neue Freunde.
Rollschuhfahren auf dem Pier war ein Vergnügen, das d a mals hoch in Mode stand. Die Oberfläche des Piers war zie m lich rau, und man fiel oft hin, aber es machte großen Spaß. Am Ende des Piers gab es eine Art Ko n zertsaal, der im Winter natürlich nicht verwendet wurde und als Rollschuhbahn zur Verfügung stand. Das war zwar weitaus nobler, aber der Pier war uns viel lieber. Wir hatten unsere eigenen Rollschuhe und zahlten zwei Pence Eintritt. Die Huxleys konnten bei diesem Sport nicht mitmachen, weil sie am Vormittag die Gouvernante ha t ten, und das galt auch für Audrey. Die Leute, mit denen ich Rollschuh fuhr, hießen Lucy. Sie waren zwar schon e r wachsen, aber sehr nett zu mir. Sie wussten, dass ich allein in Torquay war, weil der Arzt Mutter Luftveränd e rung und Ruhe im Süden verordnet hatte.
So bedeutend ich mir in meiner Unabhängigkeit vo r kam, konnte man dieser Selbstständigkeit auch leicht m ü de werden. Es machte mir Spaß, den Speisezettel zusa m menzustellen – oder mir einzubilden, dass ich ihn z u sammenstellte. In Wirklichkeit bekam ich genau das vo r gesetzt, was Jane sich schon vorher zu kochen entschi e den hatte, aber sie verstand es vo r züglich, so zu tun, als zöge sie selbst meine ausgefallensten Vorschl ä ge ernstlich in Erwägung. »Könnten wir Bratente mit Baisers haben?«, fragte ich. Freilich, antwortete Jane, aber die Ente wäre erst noch zu bestellen, und die Baisers – im Auge n blick hätte sie kein Eiweiß, und vielleicht sollten wir doch be s ser warten, bis sie für irgendetwas anderes Eigelb ve r wenden müsse. Schließlich bekam ich, was bereits in der Spe i
Weitere Kostenlose Bücher