Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen
ich ganz am Ende der Tafel,
mir gegenüber Pfarrer Albert, der als einzigerTischgenossen einen leeren Teller hatte. Dann waren da noch drei Frauen unter etwa zwanzig Männern. Und die hatte man genauso
ans Ende der Tafel abgeschoben wie uns.
Paul, der Hinterwäldler, der sich für einen Showstar hält, der Pfarrer im Ruhestand und drei Frauen!
Schöne Gesellschaft, nicht wahr?
Albert bringt uns sogleich zum Lachen.
»Siehst du, Paul, jetzt sind wir richtige Ruheständler. Wir haben keinerlei Dienstgrad, da kann man uns schon ans Ende der
Tafel setzen! Aber das ist nicht schlimm. Immerhin steht neben mir noch ein leerer Teller, und wenn Jesus vorbeikommt, laden
wir ihn zum Essen ein, in Ordnung?«
»Aber sicher doch!«
Albert fügt hinzu:
»Denn die Letzten werden die Ersten sein.«
Und genau so kam es dann auch! Wir haben als Erste etwas zu essen bekommen, und wir hatten wirklich ganz schön Hunger.
Als ein junges Mädchen den leeren Teller neben Albert wegnehmen wollte, hielt er sie zurück:
»Lassen Sie uns doch den leeren Teller, Fräulein. Wir warten noch auf einen wichtigen Gast, eine echte Berühmtheit!«
Ein andermal sagte eine Frau zu mir:
»Armer Paul, wahrscheinlich sind Sie ganz unglücklich ohne Ihre Kühe! Wo man Sie nur überall hinschleift.«
Ich habe den Kopf gehoben und sie angesehen.
Das war bei einer Lesung in einer Buchhandlung in Coutances, wo man mich zu ein bisschen Geplauder und zum Signieren der Bücher
eingeladen hatte. Ich war umgeben von feinen Damen, die unbedingt eine Unterschriftin ihr Buch haben wollten, eine Unterschrift von Paul.
Ich habe geantwortet:
»Aber nein, so etwas dürfen Sie nicht glauben. Ich bin nicht unglücklich ohne meine Kühe. Ich übe hier ein ganz anderes Handwerk
aus: Ich bin Zeitzeuge.«
Einen Vorteil hat das Ganze jedenfalls: Ich wurde noch nie von so vielen Frauen beachtet. Dann zeigte ich mit dem Stift auf
die Versammlung, die vor mir saß.
»Wissen Sie, ich habe nur die Herde gewechselt.«
Schweigen … und dann helles Gelächter.
Wenn Leser zu mir zu Besuch kommen, dann dauert das zwischen fünf Minuten und zwei Stunden. Ich persönlich mag die kurzen
Besuche lieber, dann kann ich mich hinterher wieder um meine Arbeit kümmern. Andererseits wollen die dann in fünf Minuten
möglichst genauso viel erfahren wie in zwei Stunden!
Die Leute kommen auch von weit her: aus ganz Frankreich, sogar aus Holland und Deutschland. Ich schätze diese Besuche sehr.
Die Leute erzählen mir von der Gegend, aus der sie kommen und ich lerne ein bisschen Geografie dazu.
Meine Schränke füllen sich mit Geschenken, häufig mit regionalen Produkten. Ich mag nicht alles. Manchmal machen wir auch
unsere Witze darüber. Ein Kanadier zum Beispiel hat mir Ahornsirup mitgebracht, den ich morgens aufs Brot streichen soll.
Das hatte ich noch nie gehört!
Wenn Besuch da ist, teilen wir uns die Arbeit. Eine Schwester deckt das Geschirr auf, die andere macht Kaffee und ich unterhalte
die Leute. Aber dafür muss ich am Ende auch abräumen und das Geschirr waschen.
Bei den Bedels sind alle in Rente, in der Aktiv-Rente.
Mein Tag als Aktiv-Rentner
Wie jeden Tag sehe ich die Sterbeanzeigen durch. Mit einem Tag Verspätung, weil ich immer die Zeitung vom Vortag lese. Mein
Bruder hat sie abonniert und bringt sie mir, sobald er sie gelesen hat. Zuerst schaue ich aufs Alter, auf die Gemeinde, schließlich
auf den Bezirk.
Was nicht heißt, dass nicht jeder das Recht hat zu sterben. Bitte, ich lasse dir gern den Vortritt, wenn du das möchtest!
Ich schaue nach, ob es eine Messe gibt und wie die Beerdigung sein wird, und da es etwas ganz Neues gibt, die Feuerbestattung,
habe ich ein wenig mehr zu lesen und nachzudenken als früher …
Ich bin gegen die Feuerbestattung. Da hat man dann später keinen Ort, an den man Blumen bringen kann. Und das ist wichtig
für die Erinnerung. Da gibt es gar nichts mehr, wenn es dich mal trifft! Bei uns sind die Gräber schlicht gehalten. Wahrscheinlich
klingt das jetzt, als seien wir geizig. Aber warum soll man Geld ausgeben für einen großen Grabstein? Der kostet einen Haufen
Geld und am Ende kommst du doch nicht wieder darunter hervor.
Auf dem Grab meiner Eltern steht nur ein einfaches weißes Kreuz, ein kleines Holzkreuz mit den Namen. Dieses Kreuz erneuern
meine Brüder und ich so alle zehn Jahre.
Wer betet, ist keineswegs in Träumereien versunken.Schließlich werde ich nicht so, wie ich
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