Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen
auf.
Ich kaufe die leeren Hefte Anfang des Jahres entweder in einem Laden in Beaumont-Hague oder bei einem Buchbinder. Das älteste
Heft habe ich von der
Caisse
mutuelle de réassurance de la Manche
, der Genossenschaftsbank des Département Manche. Ich kaufe alle zehn Jahre eins, ein Heft der Marke Herakles. Da trage ich
dann meine Buchführung ein. Bis heute führe ich in einem roten Spiralheft Buch.
Alle haben eine Größe, die man bequem in der Hand halten kann. So kann ich sie überall mit hinnehmen. Es ist ja so: Die Buchführung
für einen Bauernhof und eine Familie passt – wir haben ja nie Subventionen beantragt – auf zwei Seiten pro Jahr! Da muss man
wenigstens nicht zwei Stunden pro Woche dafür aufbringen.
Ich kaufe wenig und verkaufe nicht viel mehr.
Auch mein Vater hatte seine Notizblöcke. Er bewahrte sie in der Küche auf, in einer Ecke der Anrichte. Niemand hätte je gewagt,
einen Blick hineinzuwerfen. Daneben lag – stets griffbereit – ein großer Bleistift mit einer dicken Mine. Diese schnitt er
mehr schlecht als recht mit seinem Messer zurecht. Er schrieb nicht schön, was bei seinen Händen kein Wunder war. Als ich
nach seinem Tod den Hof übernahm, habe ich auch die Hefte geerbt. Er hatte nur Buch geführt, nichts anderes aufgeschrieben.
Ich hatte das Gefühl, dass etwas fehlte. Gerne hätte ich ihn besser gekannt, doch er redete ziemlich wenig. Und seine Zahlen
sagten nicht viel. Wie soll ich das ausdrücken? Man begriff zwar viel von seinen »Papieren«, von den Geschäften auf dem Hof,
aber von ihm kein bisschen. Die Zeit, die Landschaft, die Leute – davon konnte man sich kein Bild machen.
Bei seinem Tod war ich dreißig und hatte schon mehr im Sinn als nur meine Felder. Ich dachte über mein Leben nach, über die
Leute, aber auch über andere Dinge. Meine Hefte spiegeln mich auf gewisse Weise wider. Manchmal lese ich sie und erinnere
mich. Natürlichsteht da nicht alles, aber auch wenn etwas vierzig Jahre zurückliegt, erinnere ich mich doch an die Geschichte.
Auf diese Weise stückelt man am Leben an und bewahrt die Erinnerung. Alle Menschen, die ich nach dem Tod meines Vaters kennengelernt
habe, haben darin ihren Platz. Und wenn ich dann in der Woche vom 14. Juni 1975 im Heft lese: »Gesträuch geschnitten, nachts Regen, Nordosten, Pierre zu Besuch«, dann weiß ich wieder, was damals
los war.
Nur wurden die Besuche mit der Zeit mehr. In meinem Heft von 2008 steht nicht so häufig: »Kartoffeln gepflanzt, Schuppen repariert,
Holz geschlagen«, sondern öfter »sechs Besucher, zwei aus Caen, zwei aus Fécamp, Rest aus Valogne«. Und daneben dann: »Rüben
eingeholt«, aber ziemlich am Rand …
In meinen Heften steht mein ganzes Leben, aber letztlich kann nur ich mir darauf einen Reim machen! Und meine Erben werden
einmal meine Abrechnungen finden.
Viele Leute stellen mir Fragen zu den Heften. Sie liegen alle in einer Blechschachtel, die langsam verrostet. Gefunden habe
ich sie auf einem unserer Felder, ursprünglich waren Raketenzünder der Deutschen drin, die die Blechschachtel vor Feuchtigkeit
schützte. Beste deutsche Qualität eben … Kriegsbeute also. Sie haben uns ja so einiges geklaut, dafür konnte ich mich nun revanchieren. Man riecht, dass die Schachtel
alt ist, wenn man sie öffnet!
Ich habe auch noch andere Hefte, in denen ich meine Erinnerungen eintrage. Die waren sehr nützlich, als die Bücher über mein
Leben entstanden sind. Abends notiere ich die wichtigsten Ereignisse. Diese mögen für andere uninteressant sein, aber für
mich haben sie ihren Wert.Aber die sind noch besser versteckt als die Blechschachtel.
Früher habe ich keine Bleistifte gekauft, sondern sie immer irgendwo geschenkt bekommen. Aber in letzter Zeit geht mein Vorrat
zur Neige. Ich habe ja jetzt viel zu schreiben. Von den Widmungen mal ganz abgesehen.
Oft bekommt man zum neuen Jahr mehrere Terminkalender im Buchformat geschenkt. Die hebe ich auf, sozusagen als Reserve. In
der mageren Zeit, wenn ich keine solchen Geschenke bekomme, benutze ich dann einen alten Kalender. Meine Eintragungen zum
Jahr 1977 zum Beispiel stehen in einem Kalender aus dem Jahr 1975. Da habe ich dann auf jedem Tagesblatt den richtigen Wochentag eingetragen. Ich habe ja Zeit, und auf diese Weise habe ich
etwas zu tun.
Wenn ich dann beispielsweise zwei Jahre nachlese, stelle ich fest, dass ich jeweils am 12. Januar auf dem Hof herumgebastelt habe.
Weitere Kostenlose Bücher