Meine kurze Geschichte (German Edition)
Gravitationswellendetektoren sehr viel empfindlicher geworden. Die gegenwärtigen Observatorien vergleichen mit Hilfe von Lasermessungen die Längen zweier rechtwinklig zueinander stehender Arme miteinander. In den USA stehen zwei dieser LIGOs – Laser-Interferometer Gravitationswellen-Observatorien. Obwohl sie zehn Millionen Mal so empfindlich sind wie Webers Detektor, haben sie bislang keinen zuverlässigen Nachweis für Gravitationswellen erbracht. Ich bin sehr froh, dass ich bei der theoretischen Physik geblieben bin.
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URKNALL
ANFANG der sechziger Jahre lautete die zentrale Frage der Kosmologie, ob das Universum einen Anfang habe. Viele Wissenschaftler wehrten sich instinktiv gegen diese Idee und damit auch gegen die Urknall-Theorie, weil sie glaubten, im Moment der Schöpfung würden die Naturgesetze ihre Gültigkeit verlieren. Dann müsse man Religion und göttliches Wirken bemühen, um zu erklären, wie das Universum begonnen habe.
Daher wurden zwei alternative Szenarien vorgeschlagen. Zum einen die Steady-State-Theorie, nach der während der Expansion des Universums kontinuierlich neue Materie erzeugt wird, um die durchschnittliche Dichte zu erhalten. Allerdings hatte die Steady-State-Theorie nie eine verlässliche theoretische Basis, weil zur Erzeugung der Materie ein negatives Energiefeld erforderlich wäre. Das hätte für Instabilität und eine Tendenz zu unkontrollierter Produktion von Materie und negativer Energie gesorgt. Dafür hatte sie den großen Vorteil, eindeutige Vorhersagen zu machen, die sich anhand von Beobachtungen überprüfen ließen.
1963 geriet die Steady-State-Theorie bereits in Schwierigkeiten. Martin Ryles Radioastronomie-Gruppe am Cavendish Laboratory stellte bei der Suche nach schwachen Radioquellen fest, dass diese Quellen ziemlich gleich über den Himmel verteilt waren. Folglich lagen sie wahrscheinlich außerhalb unserer Galaxis, denn sonst hätten sie sich entlang der Milchstraße konzentriert. Doch das Diagramm, das den Zusammenhang zwischen Zahl der Quellen und ihrer Stärke darstellte, deckte sich nicht mit der Vorhersage der Steady-State-Theorie. Es gab zu viele schwache Quellen, was darauf schließen ließ, dass die Dichte der Quellen in der fernen Vergangenheit größer gewesen war.
Hoyle und seine Anhänger brachten immer gesuchtere Erklärungen für die Beobachtungen bei, schließlich aber erhielt die Steady-State-Theorie 1965 den endgültigen Todesstoß mit der Entdeckung einer schwachen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung. (Sie entspricht den Wellen in einem Mikrowellengerät, nur dass die Temperatur sehr viel niedriger ist, lediglich 2,7 Kelvin, eine Winzigkeit über dem absoluten Nullpunkt.) Trotz verzweifelter Versuche von Hoyle und Narlikar ließ sich die Strahlung nicht mit der Steady-State-Theorie erklären. Gut, dass ich kein Doktorand von Hoyle war, denn sonst hätte ich die Steady-State-Theorie verteidigen müssen.
Der Mikrowellenhintergrund ließ darauf schließen, dass sich das Universum früher in einem heißen, dichten Zustand befunden hatte. Er bewies aber nicht, dass dieses Stadium der Anfang des Universums war. Genauso gut ließ sich denken, dass das Universum sich zuvor in einer Kontraktionsphase befunden und dann bei hoher, aber endlicher Dichte einen Rückprall oder Umschwung von der Kontraktion zur Expansion erlebt hatte. Ob es sich so verhielt, war natürlich eine Frage von fundamentaler Bedeutung – und genau das, was ich brauchte, um meine Dissertation zu beenden.
Gravitation zieht Materie zusammen, während Rotation sie auseinanderfliegen lässt. Daher lautete meine erste Frage, ob Rotation das Universum zu diesem Bounce, diesem Rückprall oder Umschwung veranlassen könne. Zusammen mit George Ellis konnte ich zeigen, dass die Antwort Nein war, wenn das Universum räumlich homogen war – das heißt, an jedem Punkt des Raums gleich war. Allerdings behaupteten die beiden Russen Jewgeni Lifshitz und Isaak Khalatnikov, sie hätten bewiesen, dass eine allgemeine Kontraktion ohne exakte Symmetrie immer zu einem Rückprall führen würde, wobei die Dichte endlich bliebe. Dieses Ergebnis passte sehr gut ins Konzept des dialektischen Materialismus, vermied es doch lästige Fragen nach der Schöpfung des Universums. Daher wurde es zu einem Glaubensartikel sowjetischer Wissenschaftler.
Meine Dissertation, endlich fertig
Lifshitz und Khalatnikov gehörten zur alten Schule der allgemeinen Relativitätstheorie – das
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