Meine kurze Geschichte (German Edition)
heißt, sie schrieben ein umfangreiches System von Gleichungen nieder und versuchten eine Lösung zu erraten. Aber es war nicht klar, dass die von ihnen gefundene Lösung die allgemeinste war. Roger Penrose führte einen neuen Ansatz ein, der keine expliziten Lösungen von Einsteins Feldgleichungen erforderte, sondern nur allgemeine Eigenschaften – etwa dass die Energie positiv und die Gravitation anziehend ist. Im Januar 1965 hielt Penrose am Kings College in London einen Vortrag zu dem Thema. Ich habe ihn nicht besucht, hörte aber durch Brandon Carter davon, mit dem ich mir in den Räumlichkeiten von Cambridges neuem Department of Applied Mathematics and Theoretical Physics (DAMTP) in der Silver Street ein Büro teilte.
Zunächst begriff ich nicht, worum es dabei ging. Penrose hatte nachgewiesen, dass eine Singularität – ein Punkt, an dem Raum und Zeit endeten – unvermeidlich war, wenn ein sterbender Stern bis zu einem gewissen Radius geschrumpft war. Natürlich war bekannt, dass nichts einen massereichen kalten Stern daran hindern konnte, unter seiner eigenen Gravitation zusammenzustürzen, bis er nur noch ein Punkt von unendlicher Dichte war – eine Singularität. Allerdings waren diese Gleichungen nur für den Kollaps eines vollkommen sphärischen Sterns gelöst worden, und natürlich ist kein realer Stern exakt kugelförmig. Wenn Lifshitz und Khalatnikov recht hatten, würden die Abweichungen von der sphärischen Symmetrie beim Zusammensturz des Sterns anwachsen und dazu führen, dass verschiedene Teile des Sterns nicht mehr zusammenfänden, wodurch keine Singularität von unendlicher Dichte entstehen könnte. Aber Penrose zeigte, dass sie unrecht hatten: Kleine Abweichungen von der Kugelsymmetrie können eine Singularität nicht verhindern.
Mir war klar, dass sich ähnliche Argumente auf die Expansion des Universums anwenden ließen. Für diesen Fall konnte ich beweisen, dass es Singularitäten gab, in denen die Raumzeit einen Anfang hatte. Also irrten Lifshitz und Khalatnikov auch in dem Punkt. Die allgemeine Relativitätstheorie sagte demnach voraus, dass das Universum einen Anfang haben müsse – ein Ergebnis, das die Kirche interessiert zur Kenntnis nahm.
Die ursprünglichen Singularitätstheoreme von Penrose und mir waren auf die Annahme angewiesen, dass das Universum eine Cauchy-Fläche besitzt, also eine Fläche, durch die jede Teilchenbahn einmal und nur ein einziges Mal hindurchgeht. Möglicherweise bewiesen unsere ersten Singularitätstheoreme also lediglich, dass das Universum keine Cauchy-Fläche besaß. So interessant dieser Aspekt auch war, er ließ sich in seiner Bedeutung nicht damit vergleichen, dass die Zeit einen Anfang oder ein Ende hat. Deshalb machte ich mich daran, Singularitätstheoreme zu beweisen, die nicht auf die Annahme einer Cauchy-Fläche angewiesen waren.
In den nächsten fünf Jahren entwickelten Roger Penrose, Bob Geroch und ich die Theorie einer Kausalstruktur in der allgemeinen Relativitätstheorie. Es war ein wunderbares Gefühl, praktisch ein ganzes Forschungsfeld für sich allein zu haben. Was für ein Unterschied zur Teilchenphysik, wo sich die Leute beim Run auf die neueste Idee gegenseitig auf die Füße trampelten! Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Einige dieser Gedanken fasste ich in einem Aufsatz zusammen, der 1966 mit einem Adams-Preis der Universität Cambridge ausgezeichnet wurde. Dieser Essay bildete die Grundlage für das Buch «The large scale structure of space-time», das ich zusammen mit George Ellis schrieb und das 1973 bei Cambridge University Press erschien. Das Buch wird noch immer aufgelegt, weil es praktisch das letzte Wort über die Kausalstruktur der Raumzeit ist – das heißt in der Frage, welche Stelle der Raumzeit sich auf Ereignisse an anderen Punkten auswirken kann. Allerdings würde ich Laien davon abraten, das Buch zu lesen. Es ist hochwissenschaftlich und entstand zu einer Zeit, als ich versuchte, so streng zu argumentieren wie ein reiner Mathematiker. Heute bin allerdings eher daran interessiert, richtig zu liegen, statt pingelig zu sein. Im Übrigen ist es sowieso fast unmöglich, in der Quantenmechanik Strenge walten zu lassen, denn das ganze Gebiet ruht auf schwankendem mathematischem Grund.
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SCHWARZE LÖCHER
DIE DEN Schwarzen Löchern zugrunde liegende Idee ist mehr als zweihundert Jahre alt. 1783 veröffentlichte der Cambridge-Professor John Michell eine Arbeit in den Philosophical
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