Meine kurze Geschichte (German Edition)
Transactions der Royal Society über ein Thema, das er «dunkle Sterne» nannte. Dort äußerte er die Auffassung, dass ein Stern von hinreichender Masse und Dichte ein so starkes Gravitationsfeld haben müsse, dass ihm kein Licht entkommen könne. Alles Licht, das der Stern an seiner Oberfläche emittiere, werde, bevor es sehr weit gekommen sei, von der Gravitationsanziehung wieder zurückgezogen.
Michell meinte, es gebe möglicherweise eine große Zahl solcher Sterne. Zwar könnten wir sie nicht sehen, weil uns ihr Licht nicht erreichte, aber wir würden ihre Gravitationsanziehung spüren. Solche Objekte bezeichnen wir heute als Schwarze Löcher, weil sie genau das sind: schwarze Leerstellen im Raum. Eine ähnliche Hypothese stellte wenige Jahre später der französische Wissenschaftler Marquis de Laplace auf, offenbar unabhängig von Michell. Interessanterweise nahm Laplace diesen Gedanken nur in die erste und zweite Auflage seines Buchs «Darstellung des Weltsystems» auf, nicht aber in spätere Auflagen. Vielleicht kam ihm die Idee doch zu verrückt vor.
Michell wie Laplace glaubten, das Licht bestehe aus Teilchen, die wie Kanonenkugeln von der Gravitation abgebremst werden und so auf den Stern zurückfallen könnten. Das deckte sich nicht mit dem 1887 durchgeführten Michelson-Morley-Experiment, aus dem sich ergab, dass das Licht sich immer mit derselben Geschwindigkeit bewegt. Erst Einstein konnte mit seiner 1915 formulierten allgemeinen Relativitätstheorie schlüssig erklären, wie die Gravitation auf Licht einwirkt. Mit Hilfe der allgemeinen Relativitätstheorie wiesen Robert Oppenheimer und seine Studenten George Volkoff und Hartland Snyder 1939 nach, dass ein Stern, der seinen Kernbrennstoff verbraucht hat, der Gravitation nicht mehr standhalten kann, wenn seine Masse einen bestimmten Grenzwert überschreitet, der in etwa der Sonnenmasse entspricht. Ausgebrannte Sterne mit mehr als dieser Masse stürzen in sich zusammen und bilden Schwarze Löcher mit Singularitäten von unendlicher Dichte. Obwohl es sich um eine Vorhersage seiner eigenen Theorie handelte, hat Einstein nie akzeptiert, dass es Schwarze Löcher geben oder dass Materie zu unendlicher Dichte zusammengepresst werden könnte.
Dann brach der Krieg aus, und Oppenheimer kümmerte sich um die Entwicklung der Atombombe. Nach dem Krieg interessierten sich die Forscher mehr für Atom- und Kernphysik und vernachlässigten mehr als zwanzig Jahre lang Themen wie den Gravitationskollaps und Schwarze Löcher.
ANFANG der sechziger Jahre wurde das Interesse am Gravitationskollaps durch die Entdeckung der Quasare wiederbelebt – sehr ferner Objekte, die außerordentlich dichte und energiereiche Licht- und Radioquellen sind. Die Erzeugung einer so großen Energiemenge in einer so kleinen Raumregion ließ sich plausibel nur durch einen einzigen Vorgang erklären: Materie, die in ein Schwarzes Loch fällt. Oppenheimers Arbeit wurde wiederentdeckt, und die Forschung begann sich mit der Theorie Schwarzer Löcher zu beschäftigen.
1967 legte Werner Israel ein wichtiges Ergebnis vor. Er zeigte, dass die Singularität eines nicht rotierenden zusammenstürzenden Sterns, der nicht genau sphärisch ist, nackt sein, das heißt, für einen äußeren Beobachter sichtbar sein musste. Mit anderen Worten, die allgemeine Relativitätstheorie verlor an der Singularität eines kollabierenden Sterns ihre Gültigkeit und wir die Fähigkeit, die Zukunft des restlichen Universums vorherzusagen.
Zunächst glaubten die meisten Wissenschaftler – auch Israel selbst –, daraus folge, dass der Kollaps realer Sterne, die ja nie exakt kugelförmig sind, zu nackten Singularitäten und dem Verlust der Vorhersagefähigkeit führen müsse. Doch dann legten Roger Penrose und John Wheeler eine andere Interpretation vor: Die Überreste aus dem Gravitationskollaps eines nicht rotierenden Sterns nehmen rasch einen sphärischen Zustand an. Damit schlugen sie eine Art kosmischer Zensur vor: Die Natur ist prüde und versteckt Singularitäten in Schwarzen Löchern, wo sie nicht zu sehen sind.
Früher hatte ich an der Tür meines Büros im DAMTP einen Autoaufkleber, auf dem stand: Schwarze Löcher sind außer Sicht. Das ärgerte den Fachbereichsleiter so sehr, dass er meine Wahl auf den Lukasischen Lehrstuhl in die Wege leitete, das heißt, mich in ein besseres Büro weglobte, um dann eigenhändig die empörende Inschrift von der Tür meines alten Büros zu reißen.
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