Meine letzte Stunde
einfach zu dumm für alles. Wenn Du noch einmal in der Schule versagst, schicke ich Dich in die Fabrik.“ Dann gibt es Partner, die fürchten, uns zu verlieren, weil wir durch eine neue Aufgabe viele interessante Menschen kennenlernen könnten. Wenn wir nicht stark genug sind, unseren eigenen Sehnsüchten zu folgen, finden wir uns plötzlich mit 45 oder 50 an ein Leben gefesselt, in dem wir alle unsere Träume geopfert haben, ohne dass wir es überhaupt gemerkt haben. Ein Leben, das wir eher erdulden, als es leidenschaftlich zu genießen. Wenn wir unser ganzes Leben mit dem Autopiloten fliegen, werden wir zu völlig passiven Passagieren, die die Kontrolle über die Richtung und die Höhen und Tiefen an andere abgegeben haben. Unser Leben zieht dann an uns vorbei wie eine Pauschalreise, die wir nie gebucht haben, oder wie im Film, in dem wir keine eigene Rolle haben.
Wenn unser Leben zur Seifenoper wird
Alle Menschen werden als Original geboren, doch die meisten sterben als Kopie.
Anonym
Warum akzeptieren so viele Menschen ein triviales Leben, das ihnen von der Gesellschaft vorgegeben wird: der Kauf des Zweitautos, obwohl die Kreditraten des ersten noch nicht abgezahlt sind, der Job, der sinnentleert ist, die kurzzeitige Befriedigung beim Erlegen von Beute im Shoppingcenter, der Urlaub in Hotels, die sich immer mehr gleichen? Wer zwingt uns zur dramatischen Begrenzung unserer Möglichkeiten und zum Leben im Gefängnis hinter unsichtbaren Hochsicherheitsmauern? Es ist unsere Angst vor der Reichweite unserer Erfahrung. Die individuelle Freiheit ist noch immer die größte Bedrohung jeder festgefügten sozialen Ordnung. Jede Gesellschaft legt ihren Mitgliedern bestimmte Fesseln auf. In der Sahara leben die Menschen nach ganz anderen Regeln als die Menschen in New York oder die in Mumbai, aber sie gehorchen eben diesen, ihren Regeln. Und jeder, der gegen diese vorgegebenen Regeln und Traditionen verstößt, wird an den Rand gedrängt, bekämpft und verfolgt. Es ist immer das normal, was in einer bestimmten Gesellschaft akzeptiert ist, sei es für Außenstehende auch noch so absurd. Aber genau diese Normalität gibt uns die Sicherheit, zu leben.
Zu leicht könnte man den Boden unter den Füßen verlieren, wenn man vom gut markierten Weg auch nur ein bisschen abweicht. Zu verlockend ist der sichere Weg, der uns vorgegeben ist, zu bequem haben wir es uns eingerichtet. Man hat sich selbst für die Versklavung entschieden und die Freiheit immer mehr der Sicherheit geopfert. Man spürt, dass dadurch der Sinn immer mehr verloren geht, kann aber die Kraft zum Ausbruch aus dem Kreis der Trivialität nicht mehr finden. Man ist buchstäblich für das Leben gestorben, muss aber noch weiter seine Existenz fristen. Nach außen kann so ein Leben durchaus gelungen und glücklich wirken. Nur selbst kann ein Mensch sich zwar betäuben, aber nicht belügen. Seine wahre Berufung, seine wirklichen Talente, seine Leidenschaften, seine Sehnsüchte brodeln im Untergrund, um in Augenblicken der äußeren Bedrohung des Gewohnten, in Lebenskrisen wie in einem Vulkanschlund ins Bewusstsein geschleudert zu werden. [2]
Der verlorene Traum
Manche Leute drücken nur deshalb ein Auge zu, damit sie besser zielen können.
Billy Wilder
Ein Leben sollte mehr umfassen als das Abhaken von Dingen wie „meine schönste Reise“, „mein höchster Berg“, „einmal einen Porsche fahren“, „ganz in Weiß heiraten“, „ein Haus bauen“. All das sind Schablonen, die man uns vorgefertigt als Gebrauchsanleitung für ein glückliches Leben anbietet. Nichts spricht dagegen, die eine oder andere auch einmal auszuprobieren. Wenn aber das ganze Leben nur aus der Verwirklichung materieller Werte besteht, bleibt am Schluss auch nur eine materielle Bilanz übrig – schön für die Erben. Die Übung in Seminaren, über die eigene Grabinschrift nachzudenken, klingt banal, so lange, bis man sie das erste Mal selbst versucht hat. „Ich habe mein ganzes Leben lang immer versucht, die schönsten Urlaubsziele anzusteuern und dabei das beste Zimmer zu bekommen“, oder „Ich habe den Gewinn meines Unternehmens um 267 Prozent gesteigert“, oder „Unser Haus wäre fast in ‚Schöner Wohnen‘ gekommen“ klingen dann doch nicht sehr berauschend. Mit Lebensträumen hat das nichts zu tun, und das wissen wir auch.
Eva, geboren in einem kleinen Dorf in der Provinz, hat als Kind zwei große Träume: einmal in einem Schloss zu wohnen und als Stewardess um die
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