Meine letzte Stunde
mit 14 Tagen Rückgaberecht. Wir Europäer ticken anders. Wir machen die Dinge, wenn wir selbst spüren, dass der richtige Augenblick dafür gekommen ist, und vor allem tun wir sie in der Form, die uns angenehm ist.
Die Fragen des Aristoteles
Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wie ich Sie dazu motivieren kann, sich eine Stunde lang Zeit zu nehmen, um erst zurück und dann weit nach vorne in Ihr Leben zu schauen. Versuchen wir es mit einigen Fragen. Diese stammen von Aristoteles, [2] der sich sehr intensiv mit der Frage auseinandergesetzt hat, mit welchem Maßstab man sein eigenes Leben bewerten soll, um mehr Klarheit über das, was uns im Leben glücklich macht, zu gewinnen. Aristoteles war kein weltfremder Philosoph, sondern gestand dem Menschen durchaus das genussvolle Ausleben seiner Begierden zu, aber immer mit Maß und ohne sich davon abhängig zu machen. Er war vor allem zutiefst davon überzeugt, dass Selbstdisziplin und menschliche Tugenden keinen Verzicht bedeuteten, sondern im Gegenteil die Voraussetzungen für ein erfülltes Leben wären. Aristoteles erhob nie den moralischen Zeigefinger, sondern machte überzeugend klar, dass es insbesondere für das eigene Glück sinnvoll ist, sich bestimmte Fragen rechtzeitig zu stellen:
• Was heißt für mich ein glückliches Leben?
• Wie kann ich mich zwischen dem entscheiden, das mir kurzfristig Vergnügen bereitet, und dem, was im Augenblick wenig Freude macht, das ich aber langfristig brauche, um glücklich zu sein?
• Wie hoch ist der Anspruch an die Qualität meiner Arbeit und wie setze ich diesen um?
• Wie kann ich bei dem, was ich beruflich tue, immer besser werden, ohne gleichzeitig meine vielen anderen Interessen zu vernachlässigen?
• Wie wichtig sind Liebe, Freunde, Gesundheit und Spiritualität bei meinem Streben, glücklich zu werden?
• Was sollte ich für mein langfristiges Glück tun, das ich bisher verabsäumt habe? Und mit welchen Gewohnheiten sollte ich aufhören, da sie dieses Glück in meiner Zukunft gefährden?
• Wie viel Wohlstand brauche ich wirklich für ein glückliches Leben?
[1]
Steve Jobs: „Bleibt hungrig, bleibt unangepasst!“, wiedergegeben nach Gerhard Jelinek: Reden, die die Welt veränderten, Salzburg 2009, S. 287 f.
[2]
James O’Toole: Creating the Good Life. Applying Aristotle’s Wisdom to Find Meaning and Happiness, London 2005, S. 10 f.
Kann das schon alles gewesen sein – vom Sinn und Zweck des Lebens
„Was Sie hier sehen, ist ein Röntgenbild. Der Magen darauf gehört Kanji Watanabe, dem Helden unserer Geschichte. Man kann deutlich die ersten Anzeichen von Magenkrebs erkennen. Er weiß noch nichts davon. Herr Watanabe ist Beamter in der Stadtverwaltung. Seit 20 Jahren nimmt er die Beschwerden der kleinen Leute entgegen. Diese Dienststelle unterscheidet sich durch nichts von jenen, die Sie auch kennen. Und Herr Watanabe ist ein Beamter wie viele andere. Seit 20 Jahren sitzt er auf dem gleichen Stuhl, gibt Beschwerden weiter, legt sie zu den Akten. So angestaubt wie die Papierbündel, die er angehäuft hat, ist sein Leben. Eigentlich ist er schon längst gestorben. Für seinen Posten erträgt er seit 20 Jahren die tödliche Langeweile eines Bürotages. Bevor er diese Stelle angenommen hat, hat er noch gelebt. Nicht intensiv, aber immerhin, er lebte. Der unnütze Papierkrieg und seine unnütze, aber zeitaufwendige Beschäftigung haben ihn aufgerieben. Er ist beschäftigt, wahnsinnig beschäftigt. Aber in Wahrheit kennt dieser Mann nichts als den Ehrgeiz, seinen Platz zu behaupten. Und weil er nicht dumm ist, hat er bald gemerkt, dass er hier am sichersten auf seinem Stuhl sitzt, wenn man nicht durch besondere Leistungen auffällt. Es wird noch viel sinnlos verbrachte Zeit vergehen, die Magenschmerzen dieses Mannes müssen noch viel schlimmer werden, ehe er begreifen wird, dass man bei den Pensionsansprüchen und dem Posten eines Abteilungsleiters eines nicht vergessen darf: wirklich zu leben.“
Mit diesen Worten, fast wie in einem Märchen, lässt uns der große japanische Regisseur Akira Kurosawa am Schicksal des unscheinbaren Bürokraten Kanji Watanabe teilhaben. Das Urteil Magenkrebs weckt ihn aus seinem todesähnlichen Schlaf auf, den er bis dahin für sein Leben gehalten hat. Er geht nicht mehr ins Büro, sondern stürzt sich panikartig in schnelle Vergnügungen, die er sich bis dahin versagt hat. Doch schnell erkennt er, dass weder der Alkohol noch die Begegnungen mit leichten Mädchen
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