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Meine Mutter, die Gräfin

Meine Mutter, die Gräfin

Titel: Meine Mutter, die Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Hirdman
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»Nein, also weißt Du, solange wir nicht geschieden sind, kann Heini wirklich nicht bei uns übernachten, dann muss er eben bei seiner Schwester schlafen. Wenn Du keine Rücksicht auf mich nimmst, wenn Dir meine Gefühle so egal sind und Du kein Gespür für das Verletzende Deiner Handlungen hast, dann muss ich meine Schlussfolgerungen daraus ziehen – dann werde ich die Wohnung nicht mehr betreten und bei Nils wohnen. Antworte per Express, damit ich weiß, woran ich bin. Viele Grüße von Deinem Alexander.«

    Gut eine Woche später, am 26. September, waren sie geschieden. »Der Beklagte = der Schriftsteller Alexander Stenbock-Fermor ist schuldig an der Scheidung [der Grund steht nicht da]. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte [Höhe der Summe wird nicht genannt].«
    Erst jetzt kapiert er's, der Graf. Trotzdem lässt er noch nicht locker. Am 18. Oktober schreibt er ihr aus Köln – und jetzt kann er einem leidtun, (obwohl er bei seiner zweiten Charlott gewohnt haben muss): »Keine Eltern, keine Frau, kein Heimatland. Liebste, das ist einfach schrecklich!«

    »Ich hab' Dich so lieb, so lieb, glaub mir, meine arme Liebe, während ich dies schreibe, rinnen mir die Tränen über die Wangen. So ein hilfloses Kind bin ich. Du willst nichts mehr von mir wissen, ich weiß. Ich werde immer für Dich da sein, Lottlein, liebe mich weiterhin, und eines Tages schenke ich Dir ein Kind, ich versprech's Dir. Ich habe so viel Schuld auf mich geladen. Verzeih mir. Ich liebe Dich. Dein Alexander.«

    Welch Glück, dass er so erst nach der Scheidung schreibt, denke ich – sonst hätte sie, das kleine liebe Lottlein, ihre Meinung womöglich doch noch geändert: Denn wie hätte sie sich gegen so einen Liebesschwur wehren können? Er weint, er bittet um Entschuldigung, er will ihr ein Kind schenken. Das wirft zweifellos ein ganz neues Licht auf ihre Abtreibung – vielleicht ist es doch so, dass sie ihm strahlend vor Freude entgegengelaufen ist, ihm gesagt hat, dass sie schwanger sei, und er daraufhin Tucholsky, die Hochzeit, den Skandal aufs Tapet gebracht hat – warte noch ein bisschen, warte noch ein bisschen? Wein nicht, mein Lottlein, du sollst dein Kind bekommen, ich versprech's dir …

    Lotties Sorgen im Herbst 1932 – Sorgen, von denen Emilie weiß und an denen Leni später heimlich lesend Anteil nimmt – haben mit der schwierigen Wohnsituation zu tun: Diese schöne Wohnung – die eigentlich viel zu teuer sei – aber Heini habe sie so gern gemocht – wie gerne würde sie ihn darin aufnehmen – aber Alexander weigere sich – »was soll ich machen, Mama? Wir können ja nicht zu dritt zusammenleben« – als ob sie ein Weilchen tatsächlich mit dem Gedanken gespielt hätte –, »Alexander stört sich ja nicht an solchen Arrangements, seine Charlott II und Heini können gerne Seite an Seite in derselben Wohnung leben – aber für ihn ist das ja auch einfacher, schließlich lebt Charlott II ja in Köln und will nicht heiraten, aber das will Heini, und er möchte mit mir leben und mich heiraten – ach, Mutsch , Du kannst Dir ja nicht vorstellen, wie sich in meinem Kopf die Gedanken gedreht haben! – und dann sitze ich noch buchstäblich ohne einen Pfennig Geld da, mir wurde ein Vorschuss auf den Lohn gezahlt, der jetzt im Büro als Pfand einbehalten wird, bis ich ihn abgeleistet habe – ich muss wirklich endlich lernen zu sparen, das wäre mal an der Zeit …«
    Sorgen, die sich vermutlich nur konkret an der Wohnsituation festmachten, während sie eigentlich der ausbleibenden Rückkehr ihres geliebten, blassen Heini geschuldet waren. »Aber wenn er kommt, dann wird alles gut – alles, Mutsch . Dann sollst Du so schnell es geht Oma werden, und die werden eine so süße und entzückend aussehende Oma wie Dich brauchen. Compris ?«
    Der Kreis
    Da legt sie, Leni, den Stoß mit Stenbocks Briefen beiseite und denkt, vielleicht gar ironisch, was für eine ausdruckslose, »feminine« Handschrift er doch besitzt. Pah , schnaubt sie womöglich an Emilies Stelle, bevor sie nach den letzten Briefen greift, die noch aus jenem Herbst – dem allerletzten Herbst der Weimarer Republik – existieren, dem Herbst, als die Menschen wie gewöhnlich durchs Leben stolperten, verliebt und deprimiert, krank und besorgt, und in der Vielzahl viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie bewusst wahrgenommen hätten, wie der Wind wehte. Und – nebenbei – was hätten sie auch tun können? Leni lässt ihren Blick rasch

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