Meine Mutter, die Gräfin
der Wahl 1932 die richtige Parole im Kampf gegen Sozis und Nazis gefunden zu haben. Aber dieses Manöver wurde nicht gut aufgenommen. Bereits im April 1932 verlor er sein Reichstagsmandat, und ihm wurde befohlen, für die Komintern nach Spanien zu gehen, wodurch er noch dazu im Jahr 1933 ausgebürgert wurde.
Nun stammt diese Geschichte von Grete – einer Grete, die diesen Heinz Neumann immer noch liebt, als sie ihr Buch verfasst. So hat sie ihre Memoiren seinem Gedenken gewid
met; einem Mann, der trotz allem einen federführenden Anteil an jenem Prozess hatte, der geradewegs in den Abgrund und zum Tod von 25 000 Chinesen führte.
Heinz und Grete kamen nach Zürich. Ein Telegramm der Komintern war im November 1933 in Madrid eingetroffen, und der Befehl lautete: Verlasst Spanien und geht nach Zürich – das taten sie; allerdings über Paris, wo sie Gretes Schwester Babette und ihren Mann Willi Münzenberger trafen.
»Ihr seid ›abgehängt‹, sowohl vom Apparat der Komintern als auch von der KPD «, erklärt Münzenberg ihnen ungeduldig. »Euch wird man in Zürich kein Quartier besorgen und keinerlei Unterstützung geben. Nicht einmal die Rote Hilfe wird sich um euch kümmern. Auf welche Weise wollt ihr da eigentlich mit den falschen Pässen leben? […] Wenn ihr nach Zürich fahrt, bedeutet das für euch, daß ihr nach kurzer Zeit verhaftet werdet! Bleibt in Paris.«
Und Grete stimmt ihrem Schwager zu und fragt sich sogar, ob die Komintern Neumann auf diese Weise loswerden will, weiß diese doch, was ihnen in Zürich blühen wird. Doch einmal Kommunist, immer Kommunist: »Wenn ich mich dem Befehl der Komintern, nach Zürich zu gehen, widersetze und in Paris bleibe, wird man mich sofort aus der Partei ausschließen, und das ist gleichbedeutend mit politischem Selbstmord […].«
Also brechen sie auf. Grete mit falschem Namen und falschem Pass – Else Henk –, und so kommen sie nach Zürich. Aber wohin, wohin sollen sie gehen?
Ich rufe Kurella an, schlägt sie vor.
»Das fehlte noch«, erwidert er, »einen ›Versöhnler‹ um Hilfe zu bitten!«
Aber es wird immer kälter und dunkler, und so ruft Grete schließlich doch ihren alten Freund Heini an – der sofort kommt. Er hilft mit Geld und einer Unterkunft bei einem
Genossen, der nicht weiß, wer sie sind. Und nach dem ersten Anlauf werden sie also Freunde. So wie sich auch die beiden Frauen miteinander anfreunden, obwohl Grete in ihren Memoiren kein Wort über »Frau Kurella« fallen lässt.
Nun denn – auch wenn das Leben nicht genauso »bunt« wie in Berlin war, so beinhaltete es doch Freunde und Arbeit. So muss »Frau Kurella« es empfunden haben – dass ihr Leben einen neuen Sinn bekommen hatte: gegen den Nationalsozialismus zu kämpfen und für die Wahrheit. Und diese gewisse Stabilität, die diesem Leben trotz allem anhaftet, verleitet sie im Sommer 1933 dazu, von einem geordneten, bürgerlichen Dasein zu träumen – wer weiß, vielleicht mit Sofas, zweireihig übereinander hängenden Gardinen, einem schönen Teppich, einem Lehnstuhl, in den man sich kuscheln konnte, einer eigenen Küche, um Essen zu kochen – weil sie mit Heini so glücklich sei, wie sie ihrer Mutter verrät:
»Trotz allem möchte ich mein Leben aber nicht anders haben, es hat einen Sinn bekommen und ich bin mit H. sehr glücklich. Er erfüllt mich ganz. Übrigens kann es sein, dass ich Dir das nächste Mal etwas schreiben kann, was Dir Freude bereiten könnte.«
Und als Hitler im Sommer 1934 in seinen eigenen Reihen ein Blutgericht anrichtet (Röhm, Schleicher, Strasser und andere SA -Spitzen fielen ihm zum Opfer), weckt dies unter allen heimatlosen Emigranten in Zürich, Paris, Prag, London – ja, sogar unter den wenigen, die in Stockholm weilen – einen Hoffnungsschimmer: dass die nationalsozialistische Bewegung jetzt am Ende war. Jetzt können wir bald wieder heimkehren!
Doch dieser Hoffnungsfunke erlischt schnell. »Aber es sollte sich nur allzu bald herausstellen, dass wir die Metho
den moderner Dikatoren noch nicht richtig kannten«, hielt Grete fest. Und das Leben nahm wieder eine neue Wendung.
Das Notizbuch
Frühmorgens am 7. Juni 1934, als der Sommer gerade angefangen hatte, wurde RUNA 's Rudi von der Polizei wegen unzulässiger politischer Aktivität aus der Schweiz ausgewiesen. Sie wurde in der Wohnung festgenommen, die Fritz Eichenwald ihnen besorgt hatte – auf die Dauer hatten sie nicht bei Familie Kownat wohnen bleiben können – und in der sie
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