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Meine Mutter, die Gräfin

Meine Mutter, die Gräfin

Titel: Meine Mutter, die Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Hirdman
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Ein Buch über das Jahr 1931, der Titel vielleicht: »Werd ich ihn nie mehr sehen?«

    Und ihm würde das Buch eines Tages im Schaufenster auffallen, er würde es lesen und Verständnis für alles aufbringen und sie aufsuchen, und …

    Damit tröstet sie sich. Dann sonnt sie sich, geht schwimmen. Wacht frühmorgens auf, weil das Kind sie tritt. Wartet auf den jungen Schweden, den sie trotzdem irgendwie lieb hat. Bis der tödliche Schlag kam. Denn die Schatten, die diese Zeit warf, drangen selbst bis ins kleine Orre.
    Der Nichtangriffspakt
    »Warum dieser Nichtangriffspakt? Will man damit Druck auf die Demokratien ausüben? Der einzige halbwegs vorstellbare Grund. Aber die Methode ist schändlich, so, in der Form, kann das nicht wahr sein«, schreibt sie verwirrt, zutiefst verstört, erschüttert – ich nehme an, dass sie am 23. August 1939 den Weltempfänger auf London gestellt (Moskau ist nicht zu empfangen) und die Nachricht gehört hat, dass der deutsche Reichsaußenminister von Ribbentrop zur Unterzeichnung eines Nichtangriffspaktes zwischen Hitlerdeutschland und der Sowjetunion nach Moskau geflogen ist – ein Pakt zwischen den Erzfeinden. Das kann doch nicht wahr sein! Nein, das ist gewiss nur ein Täuschungsmanöver, wenngleich ein viel zu abstoßendes, riskantes. Im Unterschied zur schwedischen kommunistischen Partei (und anderen), die den Pakt unverfroren so hinstellten, als ob Stalin dadurch den Frieden gesichert hätte – ungefähr so wie Chamberlain ein Jahr zuvor in München –, kann sie nicht umhin, das zu sehen, was alle anderen sahen: Dass es jetzt zum Krieg kommen würde, hatte Hitler nun doch den Rücken frei. Jetzt konnte er ohne das Risiko, aus dem Osten überfallen zu werden, seine Expansionspolitik fortsetzen, die unweigerlich zum Krieg führen musste.
    Jetzt gibt es Krieg , denkt sie, das ist unausweichlich. Alle machen mobil, es steht bedeutend schlimmer als noch vor einem Jahr. Wie furchtbar, hier so untätig herumzusitzen – wie mag es Kluges jetzt ergehen? »Und Els, die gerade jetzt das Baby kriegt!« Was passiert in Pontigny? Und die Bri
gadisten?! Was die wohl vom Pakt der Russen halten mochten?
    Und wieder versucht sie, Radio Moskau zu hören – aber Moskau schweigt –, um zu erfahren, was um Himmels willen passiert ist. Wie soll ihr einleuchten, dass Stalin und Hitler Frieden geschlossen haben, ja, mehr noch, einen Friedenspakt sogar. Und in den norwegischen Zeitungen zeigen sie Aufnahmen, wie Ribbentrop und Molotow sich die Hände schütteln – widerwärtig ist das! Was sollen die davon halten, die gekämpft haben, die heute in Deutschland in Konzentrationslagern sitzen, all die alten Kampfgefährten, die Arbeiter? Und wie, ja wie denkt Heini darüber?? »Und ich, die jetzt ein Kind kriegt! Es ist völliger Wahnsinn und wir alle haben nicht genug getan, um den Krieg zu verhindern – was soll bloß werden? Was ist mit der K . I .? Warum der Nichtangriffspakt – diese Frage macht mich schon ganz verrückt, damit ist alles zerstört.«
    Glücklicherweise trifft Gabbi ein. Trost. Ich sehe sie vor mir, wie sie da geschützt in den Dünen sitzen und auf das unendliche Meer hinausschauen – es herrscht eine drückende Hitze, sie gehen schwimmen und sie sind verzweifelt – sie, die an den Kommunismus geglaubt haben. Zu guter Letzt versuchen sie sich vielleicht damit zu trösten, dass der Pakt trotz allem – trotz allem! – nur ein Spiel, eine Kulisse ist, ein nötiger Schritt, um den Frieden zu sichern ( aber wie, Gabbi, wie?)
    Und dann brach der Krieg aus – der zweite große Weltkrieg. Am 1. September verkündete Hitler mit heiserer Stimme, dass von jetzt ab Bombe mit Bombe vergolten wird – nachdem er Polens angeblichen Angriff auf Deutschland unverkennbar inszeniert hatte, woraufhin Großbritannien Deutschland den Krieg erklären musste. Jetzt reichten gegenseitige Zugeständnisse nicht mehr aus, jetzt hatte er angefangen – Jetzt geht's los. Und Charlotte träumt:

    »Heute von Moskau geträumt, große Parteisitzung mit Stalin, der sich Alfred K. vorknöpfte, danach Terror. Wie bescheuert und unangenehm, so etwas zu träumen! […] Hier in Norwegen glauben viele, dass die SU und Deutschland Polen unter sich aufteilen wollen und dass die SU auch Finnland im Visier hat, aber das ist doch vollkommen lächerlich!«

    »Was ist das doch für eine elende Welt«, fährt sie am 15. September fort – noch haben die Sowjets nicht das Baltikum besetzt –, »wie entsetzlich die

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