Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)
im Überfluss. Und wir wussten auch, wohin damit, auf die Straße. Diese wunderbare, kostbare Alltäglichkeit, diesen leichtsinnigen Humor, den nur entdeckt, wer genau hinsieht, der tief fühlt, wie der Maler selbst, trifft man doch immer seltener. Auch dafür gilt es Danke zu sagen … Innezuhalten, denn Rosenhauer lächelt milde über Unvollkommenes, wie das überquellende Ascheauto, das gar nicht zu sehen ist auf dem Bild, aber da gewesen sein muss, denn woher sonst stammt die dicke graue Ascheautospur 1977 im Alttrachauer Matscheschnee?
© Theodor Rosenhauer – Alttrachau vor Abbruch im Winter
Diese Straße hat auch nichts Eiliges, diese Spur bleibt. Theodor Rosenhauer hat die Flüchtige eingefangen, festgehalten mit der Gewissheit: Nichts und niemand verschwindet spurlos, nicht einmal eine graue Aschespur.
Dreck ist malerisch. Vor allem, wenn einer malt wie Gott in Trachau. Wir hatten Zeit, und Geld war nicht alles … auch deshalb wirkt dieses Bild auf mich beruhigend, ja blutdrucksenkend. Weil hier Hoffnung verbreitet wird durch einen Streuenden. Aber natürlich! Bitte schauen Sie doch selbst: Ganz rechts im ersten Morgendämmerlicht geht einer gleichsam voraus und beginnt sein Streuen als Tageswerk. Wo Menschen gemalt werden, die Asche streuen, ist Hoffnung. Der alte Krummgebückte ist aufgestanden, vorangegangen in den Tag. Ja, man könnte auch sagen: Hier streut ein Streunender.
Rosenhauer ist ein Graujongleur allerersten Grades, denn er schlägt der Welt ein Schnippchen. Graue Farbe erklingt förmlich auf der Leinwand, schummrigfeucht, nasswarm und immer lebendig. So verleiht sie einem Wort eine ganz neue Bedeutung: »Graue Eminenz«.
Wo Schnee so leuchten darf, ist Frieden nicht fern.
Schauen Sie auf die Welt, dann schauen Sie auch auf mein Alttrachau. Ja, ich bin dort geboren. Ich schlich jeden morgen diese Straße entlang, denn meine Mutti hatte Frühschicht, und für mich hieß das Frühhort. Früh um 6 Uhr, mit dem kleinen Küchenschnitzer im Anschlag, spielte ich Dampflok. Da ich rückwärts lief, musste ich nicht sehen, was vor mir lag. Das war mein Glück. Mein Weg zum Sozialismus war meistens dunkel, oft neblig. Nichts da mit lichter Zukunft.
Rosenhauer hat davon gewusst. Er hat sowieso alles gewusst. Vor allem wusste er von der heilsamen Wirkung der Angst. Eine schützende und beschützende Angst, das war unsere Heimat – Alttrachau vor Abbruch im Winter.
Und Theodor Rosenhauer stand hinter mir. Er war vor uns allen auf den Beinen, ging voran, hat alles schon gesehen.
Bei ihm wurde das Einfache zum Besonderen, Gewöhnliches erhob er. Das nenn’ ich Romantik, 1977 in Dresden.
Warum ich so schwelge? Weil in mir immer mehr die Gewissheit reift: Es gibt ein richtiges Leben … im falschen. Und das tröstet mich.
Mein Rosenhauer
Anekdote
Der deutsche Maler Theodor Rosenhauer war ein Mann, der es sich leisten konnte, mit wenig auszukommen, vielleicht auch, weil er gläubig war. So reich war er. Jedenfalls gilt es als erwiesen, dass er bei seinem Rahmenbauer, Herrn Braun, auch kommend aus Dresden-Trachau, in dessen Hof folgenden Wortlaut zum Besten gab:
Man unterhielt sich über die Rentenzugewinne bzw. die Aussicht auf diese, und irgendwann rückte Rosenhauer mit seiner Summe heraus: 147 Mark.
147 Mark der DDR, das war auch im Osten nicht viel, um nicht zu sagen, wenig.
Was sagt Rosenhauer darauf, quasi als Ergänzung zum Erreichten: »Mir reicht’s.«
Schon das ist ein Wunder. Endlich mal einer, dem das Wenige langte. Er verlangte nichts. Er ließ es gut sein, meckerte nicht, sondern war zufrieden mit 147 Mark in den 60-ern.
Nun sollte wenig später die Akademie der Künste Theodor Rosenhauer als Korrespondierendes Mitglied aufnehmen; dafür gab es eine Intelligenzrente. Man war klug genug, einem bedeutenden Künstler diese nicht vorzuenthalten.
Vielleicht wollte man sich auch einfach schmücken mit ihr, der Rente, und mit Rosenhauer.
Dennoch durfte der Akademievertreter die Gelegenheit nicht verstreichen lassen,
den »jungen« Maler auf seinen Klassenstandpunkt hin zu testen, und so wurde das frischgebackene Mitglied befragt, ob er sich nicht vorstellen könnte, quasi – sozusagen aus Dankbarkeit
gegenüber dem Staat – zum 1. Mai oder auch zum 7. Oktober, oder . . . und … die DDR-Fahne zum Küchenfenster herauszuhängen, sozusagen Flagge zu zeigen.
Und wie antwortet der auserkorene Intelligenz-Rentner seinem Vorgesetzten?
»Also, wenn ihr meine Rente an die
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