Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)
goldene und farbig emaillierte Figuren, kostbare Gegenstände aus Gold, Silber, 5 223 Diamanten, 175 Smaragde, 189 Rubine.
Die meisten Figuren aus purem Gold und nur, wo es unabdinglich schien, da strahlt es auch, dieses Gold – im Elefantenstoßzahn zum Beispiel oder in Rüstungen, und auch an den Händen klebt es, das Gold. Ja, der Schein bestimmt das Sein. Alles echt, ganz ohne Derivate und Zertifikate. Unikate! Einmalig schön, verhalfen sie Aureng und August zu einem ruhigen Atem.
Genau darum geht es doch im Leben, einen langen, ruhigen Atem zu haben. Die Chinamode hielt gerade Einzug in Sachsen, und der Löwe – im Zeichen der Sonne hinter unserem Großmogul – war auch ganz zufällig hier bei Hofe Wappentier und Sinnbild. »Geiz ist geil«, damit konnte August
der Starke überhaupt nichts anfangen. Alles in die Ausstattung! Geh’ indisch und sitz’ nicht bloß rum an deinem Geburtstag! Das war die Botschaft Dinglingers. Beweg’ dich, mach’s mit, mach’s nach, mach’s besser! Und so entstanden die Zwingerfestspiele.
August der Starke war bekannt für seine »Volksfeste«. Planetenfest und selbst Hochzeiten waren immer willkommener Anlass, sich der Bevölkerung zu präsentieren. 1708 war auch die Cosel noch mit dabei . . . Apropos Frauen: Sehen Sie bei der Geburtstagsfeier des Großmoguls eine Frau?
Und woher, bitteschön, stammten all das Gold, die Smaragde und Rubine? Der blaue Saphir, wer holte ihn aus der Erde, der indischen? Und wohin wanderten die Edelsteine der Edelleute nach dem Geburtstag des Kaisermoguls, der fast teilnahmslos und völlig unaufgeregt die Prozedur des Feierns durchlebte. 89 Jahre wurde der brutale Herrscher, der den eigenen Vater zum Gefangenen machte, weil der nicht tödlich krank war und nicht abtreten wollte. Seine drei Brüder waren entweder im Krieg gefallen oder umgebracht worden.
»Ich wünsche dir einen langen Atem.« Dieser wichtigste Satz des alten Indochina kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Letztendlich begründet doch die Anzahl der Atemzüge das lange Leben des 89-jährigen streng gläubigen Muslim, der sich durch nichts, aber auch gar nichts, aus der Ruhe bringen ließ. Ist das nicht furchtbar, weder durch Gold noch durch Edelsteine?! Sein Geburtstag? Eine notwendige Maßnahme zur Sicherung des gewonnenen Lebensstandards.
So faszinierend, detailversessen und begeistert empathisch die Brüder Dinglinger im »Hofmogul« der Arbeit huldigen, zeigen sie doch eins ganz und gar nicht: Freude, Liebe, Lachen. Die Juweliere jubilieren. Ihre Liebe zur Arbeit macht das Gesehene für mich noch trostloser. Weit weg, entrückt und völlig abgehoben, gleichsam scheintot wird da Geburtstag gemacht.
Nein, ich bleibe dabei: Eine Feier ohne Lachen ist traurig, sinnlos und absurd. Schenk mir ein Lächeln, mach mich heiter, das gibt mir mehr als alles Gold dieser Welt. Auch dies ist eine Botschaft, von der Dinglinger ganz sicher wusste. So gesehen ist diese meisterhafte Arbeit des Johann Melchior Dinglinger zugleich eine Warnung an seinen König. Eine Mahnung sowieso: »Majestät, seht doch bitte genau hin, da lacht niemand, dies ist eine traurige, sinnlose Feier. Wollt Ihr so werden?« Das nenne ich diplomatisches Geschick, Gespür für einen Menschen, dem man nicht alles sagen muss, um sich ihm zu offenbaren.
Manchmal genügt ein Blick, ein Augenblick. Und da fällt mir ein schönes Gedicht meines Lieblingsdichters ein, ein Gedicht, das mindestens so viel wert ist wie der Hofstaat von Aureng. Genießen Sie es … mit allen Sinnen und pfeifen Sie auf Gold und Diamanten!
Joseph von Eichendorff
DER BLICK
Schaust Du mich aus Deinen Augen Lächelnd wie aus
Himmeln an,
Fühl ich wohl, dass keine Lippe
Solche Sprache führen kann.
Könnte sie’s auch wörtlich sagen,
Was dem Herzen tief entquillt,
Still den Augen aufgetragen,
Wird es süßer nur erfüllt.
Und ich seh des Himmels Quelle,
Die mir lang verschlossen war,
Wie sie bricht in reinster Helle
Aus dem reinsten Augenpaar.
Und ich öffne still im Herzen
Alles, alles diesem Blick
Und den Abgrund meiner Schmerzen
Füllt er strömend aus mit Glück.
Lob der Provinz
In Dresden beginnt und endet alles mit »D«. So jedenfalls will es mein Gefühl. Allein die Stadt selbst birgt schon zweimal diesen wunderbaren Buchstaben in sich.
Der Anfang war De Elbe.
Dazu kommen D wie »ditschen«, D wie »dorwieren«, D wie »dorheeme« und D wie »nu dlar« oder ganz viele Ds, wie
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