Meine Reise in die Welt der Gewuerze
beherrschten – und bald die ganze Welt.
Die einzige Medizin, die schmeckt
Die Globalisierung der Gewürze hat derart gründlich funktioniert, dass ihre Ursprünge längst verwischt sind und sie sich auf dem gesamten Planeten ausgebreitet haben. Die Paprika ist für uns heute der Inbegriff von ungarischer Puszta, doch sie stammt aus Amerika. Die Kapuizinerkresse halten wir für ein typisches Kraut aus den Klostergärten, doch in Wahrheit ist sie ein Souvenir der spanischen Konquistadoren aus der Neuen Welt. So vieles wissen wir nicht mehr über die Geschichte und Herkunft der Gewürze und kolportieren stattdessen die immer gleichen Legenden, etwa die Mär, dass die Menschen früher ihr Fleisch übermäßig stark würzten, um den Verwesungsgeschmack zu überdecken – das ist Unfug, denn wer sich teure Gewürze kaufen konnte, konnte sich natürlich auch das frischeste Fleisch leisten.
Dass die Menschen ohne Gewürze nicht leben können, hat aber nicht nur kulinarische, sondern geradezu existenzielle Gründe. Denn jahrtausendelang waren sie die einzige wirksame Medizin. Seit gerade einmal 150 Jahren wissen wir, was Viren und Bakterien sind und wie die Pharmakologie sie bekämpfen kann. All die Zeit davor hatte man keine Ahnung davon, doch man war nicht dumm: Die Menschen wussten, wie Gewürze und Heilkräuter wirken. Sie wussten nur nicht, warum sie es taten. Deswegen wurden Gewürze prinzipiell mit göttlichen oder mystischen Eigenschaften in Verbindung gebracht. Aus der Unkenntnis zog man genau die richtigen Schlüsse. Und so sind Küche und Medizin, Ernährung und Gesundheit immer Verbündete gewesen, keine Feinde und kein gegenseitiges Korrektiv.
Gewürze sind die einzige Medizin, die schmeckt. Dieses wunderbare Wissen ignorieren wir heute viel zu oft. Stattdessen ernähren wir uns unvernünftig und versuchen dann, uns mit einer Chemikalie in Pillenform gegen Sodbrennen zu behelfen, anstatt unser Essen mit verdauungsförderndem Kreuzkümmel oder Koriander zu würzen. Müssten ein Hippokrates oder eine Hildegard von Bingen das heute mit ansehen, würden sie nur ungläubig den Kopf schütteln. Unsere Ahnen waren in manchem klüger. Wir sollten von ihnen und ihrer Geschichte lernen. Wir sollten lernen, wieder richtig zu würzen.
MYRRHE BESÄNFTIGT DEN ZORN DER GÖTTER
Die Gewürze der ersten Hochkulturen
K annte der Urmensch »Ötzi« Gewürze? Verwendeten seine Zeitgenossen in der Steinzeit Kräuter, um ihre Nahrung schmackhafter zu machen? Waren also unsere frühesten Vorfahren schon Feinschmecker? Beweise gibt es dafür keine, doch viele Anhaltspunkte sprechen dafür. »Ötzi«, die Gletschermumie aus den Ötztaler Alpen, lebte vor mehr als 5000 Jahren in der Jungsteinzeit. Schon 7000 Jahre zuvor hatten die Menschen begonnen, sich in bäuerlichen Siedlungen niederzulassen. Sie entwickelten eine primitive Gesellschaft, domestizierten Tiere, bauten Getreide an und sammelten Kräuter und Gewürze. Irgendwann müssen sie angefangen haben, sie zu kultivieren. Das weiß man unter anderem deswegen, weil man bestimmte Pflanzen dort gefunden hat, wo sie natürlich nicht vorkommen.
Zu »Ötzis« Zeit gab es in Mitteleuropa Pfahlbausiedlungen, in denen verschiedene Kümmelarten, aber auch Dill und Engelswurz nachgewiesen werden konnten. Kümmel ist damit vermutlich das älteste europäische Gewürz – »Ötzi« könnte es ohne Weiteres gekannt haben. Auch in Kleinasien fanden Archäologen viele Beweise für die Nutzung von Gewürzen in dieser Zeit. In Syrien grub man ein jungsteinzeitliches Keramikgefäß mit den verkohlten Knospen von Kapern aus. Im europäischen Teil der Türkei stieß man auf einen Klumpen verkohlter Gartenkressesamen – er wog ein Kilo, und da Kresse in solchen Mengen in der Natur nicht vorkommt, kann das nur eines bedeuten: Unsere Vorfahren haben Kresse gezielt gesammelt oder sogar schon angebaut. Und den Knoblauch schätzen die Menschen ebenfalls seit ihren ersten Tagen. Sie müssen sehr früh erkannt haben, welche Wunderwirkung diese Pflanze entfaltet – sie ist antiseptisch und antibakteriell und außerdem ein wahrer Jungbrunnen. Heute weiß man, dass Menschen, die regelmäßig sehr viel Knoblauch essen, bis zu fünfzehn Jahre länger leben als die Verächter der aromatischen Zehen. Gegen einen gewaltsamen Tod wie bei »Ötzi« war natürlich auch Knoblauch machtlos.
Mesopotamiens Liebe zu Koriander und Knoblauch
Der Mann aus den Ötztaler Alpen war kein Wilder. Wäre er aber sehr
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