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Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Titel: Meine Reise in die Welt der Gewuerze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfons Schuhbeck
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moderne Forschung bestätigt. Er empfiehlt, alten Käse zu meiden und möglichst frischen zu essen – heute wissen wir, dass alter Käse den entzündungsfördernden Stoff Histamin enthält. Oliven, Spargel, Zwiebeln und Knoblauch werden sehr gelobt, Knoblauch vor allem deswegen, weil er die Säfte verdünnt – tatsächlich haben die Zehen, wie längst wissenschaftlich nachgewiesen ist, eine blutverdünnende Wirkung. Ibn Butlan gibt sogar Empfehlungen für bestimmte Menschentypen und Lebensalter. So legt er Koriander vor allem Menschen mit einem empfindlichen Magen als Mittel zur Förderung der Verdauung ans Herz – was sehr vernünftig ist, weil Koriander wesentlich milder wirkt als andere verdauungsstimulierende Gewürze wie Pfeffer und Ingwer.

    Eine arabische Handschrift des »Tacuinum sanitatis« gelangte im 13. Jahrhundert an den Hof des letzten Stauferkönigs Manfred in Sizilien, wurde dort ins Lateinische übersetzt und illustriert. Seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert war eine gekürzte Fassung, die sich auf Ernährungsfragen konzentrierte, vor allem beim italienischen Adel sehr beliebt. Die besseren Stände des europäischen Mittelalters ernährten sich also nach den Prinzipien eines christlich-arabischen Arztes und bewiesen damit ein weiteres Mal, wie wenig Barrieren es zwischen den Weltreligionen in der Geschichte der Medizin und der Gewürze immer gegeben hat.
    Es klingt verwegen, doch es ist wahr: Ohne die Heilkunst der arabischen Ärzte wäre es um die Gesundheit der Menschen im europäischen Mittelalter viel schlechter bestellt gewesen. Denn ohne Avicenna und Ibn Butlan hätten sie kaum etwas von der segensreichen Wirkung der Gewürze gewusst. Doch so klug und scharfsinnig die islamischen Gelehrten die Heilkraft der Pflanzen durchschauten und dokumentierten, so viel Platz blieb noch, um den Gewürzen fantasievolle literarische Denkmäler jenseits der Naturwissenschaft zu setzen – wie diese schöne Episode aus »Tausendundeiner Nacht« zeigt. In der »Geschichte Ala Eddin Abu Schamats« wird geschildert, wie ein verzweifelter Kaufmann ein Rezept gegen seine Kinderlosigkeit sucht. Scheich Muhamed weiß, was zu tun ist: Gib nur zwei Goldstücke her und eine chinesische Schüssel. Als der Kaufmann ihm gab, was er verlangte, kaufte er einen chinesischen Braten, nahm Zimt, Nelken, Ingwer, Pfeffer und andere Gewürze, stieß es zusammen, ließ es in feinem Öle kochen. Dann tat er einige Nieren hinzu und einen Becher voll Sesamöl, knetete es mit Honig und griechischem Essig, hielt alles dem Kaufmann hin und sagte: Lasse dir zum Nachtessen stark gewürztes Schaffleisch und eine Taube braten, dann nimm diese Arznei und trinke Zuckerwasser darauf. Der Kaufmann befolgte die Vorschrift des Maklers, und nach einigen Monaten erklärte ihm seine Frau, die Arznei habe gewirkt. Nach neun Monaten gebar sie einen sehr hübschen Knaben.

D as Schöne am Reisen ist, dass man schlauer zurückkommt, als man losfährt. Und so schlau wie aus Istanbul bin ich wahrscheinlich noch von keiner Reise zurückgekehrt. Denn am Bosporus habe ich eine ganz andere Türkei kennengelernt, als ich zu kennen glaubte. Ich bin in einer Stadt gewesen, die einfach unglaublich ist: unglaublich kultiviert und kosmopolitisch, geschichtsträchtig und zukunftsgläubig, schön und reich – und das längst nicht nur an Geld.
    Schon beim ersten Anblick stockt einem der Atem. Ich weiß nicht, ob ich je eine Stadt gesehen habe, die fantastischer liegt. Über sieben und noch viel mehr Hügel ergießt sich das wogende Häusermeer und wird dabei überall von echten Wellen mit mythischen Namen umspült – von Bosporus, Marmarameer, Goldenem Horn. Istanbul ist eine Stadt aus Wasser und Stein, voller Menschen und Möwen, voller Fähren und Brücken, die Europa und Asien miteinander verbinden – zwei Kontinente, ein Brückenschlag. Greifbarer wird Geografie nirgendwo sonst auf dem Globus. Es ist eine Stadt mit einem majestätischen Auftritt, in der siebzehn Millionen Einwohner leben und die viel zu würdevoll ist, um deswegen gleich im Chaos zu versinken. Das ist die zweite Überraschung beim zweiten Blick: Istanbul ist kein morgenländisches Tohuwabohu, sondern eine hochzivilisierte, gut funktionierende, sehr europäische Metropole – viel weniger eine Stadt des Orients als des Mittelmeers.
    Ich bin nach Istanbul gekommen, weil es ein Schicksalsort in der Geschichte der Gewürze ist. So viel habe ich über ihn gelesen: Tausend Jahre lang saß die Stadt

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