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Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Titel: Meine Reise in die Welt der Gewuerze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfons Schuhbeck
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verwenden. Essen ist also nicht nur höchstes Vergnügen, sondern auch das beste Instrument für Heilung und Prävention. Dieser Grundsatz prägte jahrhundertlang das Denken der Araber, vom einn Mann bis hinauf zum Kalifen. Die Herrscher aßen am liebsten unter den wachsamen Augen ihrer Leibärzte, die ihnen je nach Tagesform und Gesundheitszustand bestimmte Gerichte mit ganz speziellen Gewürzen ans Herz legten. Diese Sitte wurde – wie wir später noch sehen werden – im Mittelalter von den europäischen Fürsten übernommen. Die Fürsten übernahmen aber noch viel mehr von der arabischen Gesundheitsphilosophie – genau genommen, so gut wie alles, und das völlig zu Recht. Denn die islamische Medizin war im Mittelalter der Gipfel der Heilkunst. Und so fand das arabische Sprichwort vom lebensrettenden Salbei Eingang in den Sprachschatz der Europäer, die wussten: »Wer Salbey baut, den Tod kaum schaut.«
    Der Prophet Mohammed starb im Jahr 632 und hinterließ einen Glauben mit einem unfassbaren Expansionsdrang. Schon wenige Jahrzehnte später war er von den Pyrenäen bis zum Hindukusch zur vorherrschenden Religion geworden. Man darf sich die arabische Welt aber nicht als geschlossenes kulturelles System vorstellen. Juden, Perser, Christen und Berber spielten in der islamischen Welt ebenfalls eine bedeutende Rolle. Bis weit ins hohe Mittelalter hinein waren Christen sogar die Leibärzte von Kalifen.
    Die arabische Medizin war der europäischen deswegen so überlegen, weil sie das Wissen der Antike bewahrte und fortschrieb. Die islamisch dominierte Welt deckte sich in vielen Teilen mit dem früheren Reich Alexanders des Großen. Dort waren die medizinischen Traditionen des antiken Griechenland noch immer lebendig. Die Araber kannten deswegen Ärzte wie Hippokrates oder Galen genau und schätzten sie in höchstem Maß. Aber auch mit persischen und indischen Schriften kamen die Araber früh in Kontakt und nutzten sie für sich. Dieser ganze Wissensschatz wurde im 11. und 12. Jahrhundert in der Übersetzerschule von Toledo des kastilischen Königs Alfons des Weisen und der Medizinerschule von Salerno in Süditalien ins Lateinische übertragen. So profitierte über viele Umwege und nach vielen Jahrhunderten das Abendland, in dem bis zu diesem Zeitpunkt nur Bruchstücke des antiken Wissens existiert hatten, wieder von den Erkenntnissen seiner Vorväter.
    Die zentrale Rolle in der arabischen Medizin spielten wie in allen Epochen zuvor die Gewürze. Schon der Prophet Mohammed empfahl Knoblauch zur Stärkung des Körpers. Seine Nachfahren wussten, dass Kampfer dem Herz guttut, Tamarinde, Kassia und Aloe die Verdauung fördern und kein Mittel wirkungsvoller bei der Schmerzbehandlung ist als Mohn. Diese Erkenntnisse verdankten die Araber zu großen Teilen Hippokrates, Galen und Dioskurides. Doch die Araber gingen einen entscheidenden Schritt weiter. Ihre Hauptleistung bestand im Systematisieren, Differenzieren und Erweitern der griechischen Medizin. So war eine ihrer neuen Leitlinien, eine Diagnose nicht nur nach der körperlichen, sondern auch der geistigen Verfassung des Patienten zu erstellen. Das Individuum stand also im Mittelpunkt, und da der Geist so wichtig war, wurde zur Genesung zum Beispiel auch Musik eingesetzt.
    Die alles überragende Gestalt der arabischen und der mittelalterlichen Medizin überhaupt ist Ali Ibn Sina, der im Lateinischen Avicenna genannt wird.

    Er war vermutlich persischer Herkunft, wurde um 978 in Usbekistan geboren und hatte keine Schwierigkeiten mit seinem Selbstbewusstsein. So bekannte er einmal: »Die Medizin gehört nicht zu den schweren Wissenschaften. Deshalb tat ich mich in kürzester Zeit darin so hervor, dass tüchtige Ärzte anfingen, bei mir Medizin zu studieren.« Schon mit achtzehn Jahren hatte er seine Ausbildung abgeschlossen, führte danach ein unstetes Leben und wirkte schließlich in der persischen Stadt Isfahan als politischer Berater, Minister und Leibarzt. Das alles ließ ihm noch genügend Zeit, im Laufe seines Lebens eine ganze Bibliothek zusammenzuschreiben. Unsterblich aber wurde er mit einem einzigen Werk: seinem »Canon medicinae«.
    Diese riesige Richtschnur der Medizin ist die umfassendste systematische Darstellung der Medizin im Mittelalter. Ihre Grundlage sind die Schriften des griechischen Arztes Galen von Pergamon, dem selbst nie eine solche ordnende Analyse seiner Einsichten gelungen war. Der »Canon medicinae« entwirft eine Theorie der Anatomie und

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