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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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»feines Hündchen. Runter mit dir. Ab!«
    Wassja grunzte.
    Ich probierte es mit einem beherzten: »Dawai!«
    Wassja rührte sich nicht. Wohin sollte er auch kommen? Er war ja schon da.
    Nebenan hörte ich Geschirrklappern und leise Stimmen. Millimeter um Millimeter kämpfte ich mich unter dem Hund hervor, bis es mir gelang, mich aufzusetzen. Ich schaute mich um. Die Wände meines Gästequartiers waren holzvertäfelt und mit dunklen Landschaftsgobelins behängt. Durch die braunen Jalousien der zwei Fenster fiel spärliches Licht. Auf den Fensterbänken und einer kleinen Kommode standen überall Porzellanfiguren – Engel, Hunde, Prinzessinnen und anderer Nippes. Gegenüber vom Bett war ein riesiger Flachbildfernseher an die Wand montiert, völlig überdimensioniert in diesem kleinen Raum. Auf einem Stuhl entdeckte ich meine sorgfältig zusammengefaltete Jeans, darunter die Schuhe. Sofort war ich verlegen. Hatte Artjom mich entkleidet?
    Ich schlüpfte in meine Sachen und warf einen Blick in den Spiegel über der Kommode. Dünne, blonde Haare hingen schlaff auf die Schultern, meine sonst eher grauen Augen hatten eindeutig einen Rotstich. Wahrscheinlich roch ich, wie ich aussah.
    Ich nahm meine Handtasche, öffnete zaghaft die Tür und stand in einer einfachen Küche. An der Spüle hantierte Rostislav mit Tellern, auf einer Eckbank saßen Darya und Artjom in ein Gespräch vertieft, genau genommen redete Darya, ohne Luft zu holen. Unter der Bank schossen drei unglaublich hässliche Promenadenmischungen hervor und sprangen kläffend an mir hoch.
    Stimmt, dachte ich, da war doch mal von vier Hunden die Rede gewesen. Die Begegnung mit Wassja reichte mir eigentlich vollkommen.
    Darya stand auf, packte zwei der kleinen Viecher am Genick und warf sie durch die offene Tür, die auf die Veranda führte, in den Garten. Um diesem Schicksal zu entgehen, sprang das dritte Fellknäuel freiwillig hinterher.
    »Paula!« Rostislav drückte und herzte mich, als sei ich eine verschollen geglaubte Verwandte, Darya guckte ob meines Zustands leicht indigniert, tätschelte aber dennoch mütterlich meinen Rücken. Artjom saß in seiner Ecke und lächelte mich erfreut an.
    »Da bist du ja! Wie geht es dir? Hast du gut geschlafen?«
    »Ja, danke«, röchelte ich, denn Rostislav hielt mich immer noch umschlungen. »Wo kann ich mich ein wenig frisch machen? Und haben Sie, äh, hast du vielleicht ein Aspirin?«
    Artjom wies mir den Weg in ein winziges, blitzsauberes Badezimmer mit Waschbecken, Dusche und Toilette. Ich schaufelte mir kaltes Wasser ins Gesicht, fand Zahnpasta, die ich mir auf den Finger schmierte, um den Geschmack von toter Katze in meinem Mund zu eliminieren, und fühlte mich genauso elend wie vorher. Am liebsten wäre ich heimlich geflüchtet, mein Schädel dröhnte, und mir war gar nicht nach Gesellschaft.
    Ich schlich zu den Polyakows, die nun auf der Veranda am Frühstückstisch saßen. Die kleinen Kläffer hockten zu Daryas Füßen und musterten mich argwöhnisch.
    »Jetzt kann ich dir den Rest der Familie vorstellen«, sagte Artjom und zeigte auf die Hunde. »Das hier ist Sputnik, ein reinrassiger französischer Pudel.«
    Wenn der reinrassig ist, dachte ich, heiße ich Helga. Der sieht aus, als hätte er Kontakt mit einer Steckdose gehabt.
    Der Zweite im Bunde, ein kurzhaariger Mopsmischling, wurde Caruso genannt. Der Dritte hatte entfernte Ähnlichkeit mit einem Dackel und den schönen Namen Rasputin.
    »Angenehm«, sagte ich und setzte mich vorsichtig hin, bemüht, meine Füße außerhalb der Reichweite dieser haarigen Verwandten zu halten.
    »Aspirin haben wir leider nicht. Aber trink das«, sagte Artjom und stellte mir ein Glas mit einer bräunlichen, trüben Flüssigkeit vor die Nase, »das wird dir helfen.«
    Ich schnupperte vorsichtig, nahm einen Schluck und hätte mich gern spontan übergeben. Das Zeug war fürchterlich, bitter und sauer, insgesamt undefinierbar.
    »Kwass«, erklärte Artjom, »ein Saft aus Brot. Mein Vater macht ihn selbst.«
    Rostislav nickte stolz.
    »Oh, lecker«, sagte ich tapfer und biss schnell in ein Brötchen.
    Nachdem ich etwas gegessen und einen Kaffee getrunken hatte, ging es mir ein wenig besser.
    »Bisness!«, verlangte Rostislav nun und guckte mich aufmunternd an. Auch das noch! Aber gut, deswegen war ich ursprünglich hergekommen. Ich angelte den inzwischen zerknitterten Schriftsatz aus der Tasche, reichte ihn Artjom, gab mit meinem dicken Kopf eine nicht ganz gelungene Einführung in

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