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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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ausladend, einnehmend und zeugten von einem unerschütterlichen männlichen Selbstbewusstsein.
    Wenn ich ihn sah, musste ich unwillkürlich an eine Szene aus dem Film »Ein Fisch namens Wanda« denken: John Cleese bringt Jamie Lee Curtis fast um den Verstand, indem er während des Liebesspiels auf Russisch rezitiert. Damals im Kino konnte ich nicht nachvollziehen, was daran so scharf sein sollte. Nun dachte ich ein wenig anders.

[home]
    4
    D er Anblick war trist. Viel dunkles Blau, ein paar Grautöne, ausschließlich gedeckte Farben. Hosenanzüge, drei Blazer, eine Batterie weißer Blusen, etliche Jeans, kaum Röcke, das war alles, was mein Kleiderschrank hergab.
    Im hintersten Winkel entdeckte ich das einzige Kleid. Zart türkis, mit einem kleinen Ausschnitt, gerade und eng geschnitten, knapp knielang. Aus reiner Seide. Nicht so teuer, wie es aussah. Es musste wohl vor der Erkrankung der Seidenraupen produziert worden sein.
    In einem Anflug von Übermut hatte ich es mir nach der Trennung von Bernhard gekauft. Sozusagen als sichtbares Zeichen meines neuen Lebens. Ich hatte es noch nie getragen. Entschlossen griff ich danach. Heute musste ich gut aussehen.
    Artjom hatte am Vormittag seinen Kopf zur Tür hereingesteckt und mich gefragt, ob ich am Abend frei sei.
    »Eigentlich wollte ich noch ein paar Akten durcharbeiten«, sagte ich und starrte auf meinen leeren Schreibtisch.
    »Ach, komm schon, Paula«, ein abgründiger Blick aus dunklen Augen, »man kann doch nicht immer nur arbeiten. Man muss doch auch sein Leben genießen.«
    »Na gut, ein Stündchen oder so kann ich mir wohl erlauben. Was hast du denn vor?«
    »Was hältst du davon, wenn wir schick ausgehen? Erst einen Happen essen und dann in eine Bar oder einen Club?«
    An einem Dienstag? Warum eigentlich nicht …
    »Okay, klingt gut.«
    »Sehr schön. Ich hole dich um sieben ab. Bei dir zu Hause?«
    Ich schrieb ihm meine Privatadresse auf.
    Für den Rest des Tages machte ich mir Gedanken, was ich wohl zu diesem Rendezvous anziehen könnte. Ich wollte nicht als graue Maus neben dem prächtigen Pfau untergehen. Um vier Uhr schloss ich die Kanzlei, um mich – immer nervöser werdend – zwei Stunden vor meinen Kleiderschrank zu stellen.
    Jetzt drehte ich mich in meinem einzigen Kleid vor dem Spiegel und schwankte zwischen »Wow!« und »Fehlkauf!«. Vor mir stand eine Frau, die ungewohnt weiblich wirkte. Ich spitzte die Lippen und warf meinem Spiegelbild einen Kuss zu. Gar nicht so schlecht, Frau Matthes, dachte ich.
     
    Um zwanzig vor acht kam Artjom. Ohne ein Wort der Entschuldigung oder eine Erklärung für seine Verspätung bugsierte er mich in ein Taxi. Der Wagen hielt im Portugiesen-Viertel am Hafen. Ich fing schon an, mich auf eine frische Seezunge bei Kerzenschein zu freuen, als Artjom die Tür zu einem brasilianischen Rodizio aufriss.
    »Du magst doch Fleisch«, sagte er und ging voran.
    Das Restaurant hatte die Ausmaße einer Bahnhofshalle, es war laut und heiß. Mehrere Kellner schossen auf uns zu, hauten Artjom auf die Schulter, umarmten ihn, musterten mich und pfiffen anerkennend. Einer grölte: »Eeeeeh, ein neues Chica!« Man kannte sich offenbar. Besitzergreifend nahm Artjom meine Hand und zog mich auf dem Weg zu unserem Tisch wie ein Kind hinter sich her.
    Man knallte uns in Windeseile Teller, Gläser und eine Flasche Rotwein vor die Nase, und ohne etwas bestellt zu haben, wurden uns im Minutentakt von fetttriefenden Spießen diverse Sorten toten Tiers auf den Teller heruntergesäbelt.
    »Hau rein. Du kannst so viel essen, wie du willst«, forderte Artjom mich auf, »das ist die Spezialität hier.«
    Na, dann hau ich mal rein, dachte ich, Seezunge wird gemeinhin überbewertet.
    Für die nächste halbe Stunde war an ein Gespräch mit meinem Tischherrn nicht zu denken, da er sich voller Genuss Schwein, Rind und Lamm auf seinem Teller widmete. Ich gab nach der dritten Portion auf, hielt mich an meinem Weinglas fest und beobachtete Artjom.
    Seine Kiefer mahlten, konzentriert hielt er sein Besteck. Er schnitt, er kaute, er schluckte. Artjom war völlig versunken in die Nahrungsaufnahme. Ein nahezu archaischer Vorgang, merkwürdig, aber auch erotisch. Ein echter Mann braucht Fleisch, schoss es mir durch den Kopf. Das hatte zumindest meine Großmutter immer gesagt.
    Nachdem er sein Mahl beendet hatte, seufzte Artjom zufrieden, zückte einen Zahnstocher und lächelte mich an.
    »Entschuldige, aber ich hatte wirklich Hunger.«
    »Das war nicht zu

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