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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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galoppierenden Herzschlag. Mensch, Matthes, dachte ich, jetzt reiß dich mal zusammen. Du kannst dich unmöglich in diesen unmöglichen Russen verlieben.
    Ich wusste noch nicht einmal, wie alt er war. Wo er wohnte. Etwa bei seinen Eltern? Allein? Oder mit einer Frau zusammen? In einem Anfall von Vertrauensseligkeit hielt ich Letzteres sofort für ausgeschlossen. Trotzdem, ich wusste so gut wie nichts über diesen Menschen.
    Aber ich fand ihn begehrenswert. Geheimnisvoll. Im Gegensatz zu mir wusste Artjom, wie man sich interessant macht.

[home]
    5
    A uch wenn die deutsche Bürokratie als langsam und kompliziert gilt, arbeitet sie doch so präzise und unaufhaltsam wie ein Uhrwerk. Endlich lag die Ladung des Landgerichts im Briefkasten, die Verhandlung war auf Montag in zehn Tagen anberaumt. Dem Schreiben entnahm ich, dass die Gegenseite von einem gewissen RA Wilhelm Schubert vertreten wurde. Der Name sagte mir nichts. »Wilhelm« deutete aber an, dass der Kollege wahrscheinlich älteren Semesters war.
    Ich schrieb RA Schubert einen Brief, in dem ich noch einmal die Forderungen der Polyakows verdeutlichte und auf der Herausgabe des Cellos bestand. Eine taktische Maßnahme, da ich neugierig auf die Strategie meines Gegners war. RA Schubert antwortete umgehend – mit einem dürren Satz: Sein Mandant werde sich vor Gericht zum Sachverhalt äußern.
    Das war ungewöhnlich. Normalerweise hauen sich Anwälte gern vor der eigentlichen Schlacht einen Schriftsatz nach dem anderen um die Ohren, eine Art Kräftemessen, bei dem man den Feind vorab mit der Größe der eigenen Geschütze zu beeindrucken versucht.
    Okay, dachte ich leichthin, vielleicht will er das bisschen Munition, das er hat, nicht schon vorab verschießen. Ein ungutes Gefühl blieb, ich schob es beiseite.
    Darya und Rostislav waren hocherfreut, dass ihre Sache nun voranging. Jeden Vormittag fanden sie sich in meinem Büro ein, um auf Russisch erregte Diskussionen miteinander zu führen, deren Klang ich andächtig lauschte und deren Sinn mir verborgen blieb. Wiederholt erinnerte ich Rostislav an die Expertise.
    »Alläs gutt, Paula, alläs gutt«, sagte er ein ums andere Mal und ging. Darya verzichtete im Beisein ihres Gatten auf ihr Abschiedsmantra, stattdessen schaute sie wissend auf einen Strauß roter Rosen, der meinen Schreibtisch zierte, und lächelte still.
    Artjom machte sich rar. Kurz nach unserem Rendezvous brachte ein Blumenbote besagten Strauß vorbei, versehen mit einer knappen Botschaft: Er hätte außerhalb zu tun, er melde sich, wenn er zurück sei.
    Da das fehlende Gutachten mir allmählich auf den Magen schlug, versuchte ich, Artjom auf seinem Handy zu erreichen. Ich verstand immer nur Wortfetzen, unterbrochen von Knacken, Knistern und Rauschen, als befände sich mein Gesprächspartner jenseits des Ural. Dann bekam ich eine SMS :
     
    KEINE SORGE. BIN PÜNKTLICH ZUM PROZESS ZURÜCK. ROSTISLAV KÜMMERT SICH UM DIE ÜBERSETZUNG.
     
    Bei seinem nächsten Besuch drückte mir Artjoms Vater tatsächlich einen Umschlag mit dem Gutachten und einem beglaubigten Schreiben in die Hand, versehen mit amtlichen Stempeln und Unterschriften.
    »Alläs gutt, Paula, alläs gutt.«
    Erleichtert griff ich nach den Dokumenten und nahm all meinen Mut zusammen, um ein weiteres heikles Thema anzusprechen. Da Artjom als Übersetzer ausfiel, musste ich mein Glück bei Rostislav versuchen.
    »Da wäre noch etwas. Eine winzige Bitte«, sagte ich und rang mit den Worten. »Also, ihr seid ja immer sehr schick angezogen. Ganz außergewöhnlich und so … farbenfroh. Aber für den Prozess … Nun ja, ich würde vorschlagen, da doch etwas Gedeckteres zu wählen …«
    Rostislav sah mich fragend an.
    Das hatte ich befürchtet. Ich versuchte es anders. »Euer Outfit. Vor Gericht. Nicht bunt, nicht sexy, kein Strass. Nicht so viel Schmuck. Eher konservativ. Langweilig. Okay?«
    »Kain Prrobläm, Paula, kain Prrobläm.«
    Das sah Darya anders. Divengleich rauschte sie am nächsten Tag in die Kanzlei, drückte mir einen ihrer Minikläffer in den Arm und entschied: »Ich shoppen. Du Sputnik. Tschüssi.«
    Ich hielt die zottelige Töle auf Armeslänge von mir entfernt, in Sputniks Augen spiegelte sich mein eigenes Grauen, langsam entleerte er seine Blase auf meine Pumps.
    Ich setzte das bemitleidenswerte, zitternde Geschöpf auf den Boden, es humpelte unter meinen Schreibtisch und pisste weiter, diesmal auf den Teppich. Vielleicht sollte ich es Darya gleichtun und ihn einfach

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