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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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seine Eltern schon ganz neugierig auf euch sind. Was hältst du davon, wenn wir an einem der nächsten Wochenenden mal vorbeikommen?« »Eltern? Was für Eltern?«
    »Artjoms Eltern leben auch in Hamburg.«
    »Oh.«
    »Genau, Mama, bald sind wir eine große, glückliche Familie.«
    Mutter orderte einen weiteren Cognac. Einen doppelten.
    »Grüß Papa schön von mir«, sagte ich beiläufig, als ich mich mit einem Wangenkuss von ihr verabschiedete. In ihrer Haut wollte ich nicht stecken, wenn sie Vater die frohe Botschaft überbrachte. Ich beglückwünschte mich zu der Entscheidung, diese unschöne Aufgabe ihr zu überlassen. Das war feige, aber lebenserhaltend.
    Volle zwei Tage dauerte es, bis mein Vater bereit war, mich am Telefon anzubrüllen.
    »Paula, bist du vollkommen übergeschnappt?«, röhrte er. »Du kannst doch keinen Russen heiraten!«
    »Doch, Papa, das kann ich.«
    »Das sind doch alles Verbrecher!« Nein, Weltoffenheit und Toleranz waren noch nie die vornehmsten Eigenschaften meines Vaters gewesen.
    »Was hat der überhaupt in Deutschland zu suchen?«
    »Er arbeitet hier, Papa.«
    »Na, auf die Arbeit bin ich ja mal gespannt«, er lachte höhnisch. »Der will dich doch nur heiraten, damit er nicht ausgewiesen wird.«
    »Nein, Papa, Artjom hat eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung.«
    »Verflucht«, schrie mein Vater, »ein Russlanddeutscher!« »Schlimmer, Papa, viel schlimmer«, antwortete ich fröhlich. »Ein Jude.«
     
    Die spätpubertäre Aufmüpfigkeit gegenüber meinen Eltern war albern, das wusste ich. Trotzdem empfand ich dabei eine große Befriedigung. Als meine Mutter mir säuerlich mitteilte, sie und Vater würden diese Menschen für den kommenden Sonntag zum Kaffee einladen, man wisse schließlich, was sich gehöre, überfiel mich eine Mischung aus Angst und Vergnügen.
    Darya und Rostislav reagierten mit Aufregung auf die Einladung. Das sei immerhin ein offizieller Termin, die richtige Wahl der Gastgeschenke müsse bedacht werden, die Art der Begrüßung und der Verabschiedung, verschiedene Gesprächsthemen, die sich für einen Smalltalk eigneten.
    »Kain Bisness!«, entschied Rostislav.
    »Davon würde ich auch abraten«, sagte ich.
    Artjom, der dem großen Tag mit seinem unerschütterlichen Selbstbewusstsein gelassen entgegensah, verfolgte amüsiert die hitzigen Gespräche.
    »Deine Eltern machen sich viel zu viele Gedanken«, sagte ich, »sie sollen sich einfach mal so richtig schick machen und dann so sein, wie sie immer sind.«
    Am Tag des großen Abenteuers quetschten wir uns in Rostislavs klapprigen Kombi, der sich, schwarze Ölwolken hustend, den Weg nach Nienstedten bahnte. Ich musste wohl erwähnt haben, dass meine Eltern einen Hund besaßen. Deshalb fühlten sich auch Wassja, Sputnik, Caruso und Rasputin eingeladen. Auf der Ladefläche hechelten sie im Quartett. Sie waren frisch gebürstet, in Sputniks wirrem Fell glitzerte sogar eine Strassspange.
    Die Männer trugen für ihre Verhältnisse recht dezente dunkle Anzüge, immerhin leuchtend bunte Hemden mit dazu passenden Krawatten und Einstecktüchern. Dafür war Darya bis zum Äußersten gegangen. Auf ihrem Kopf thronte ein zu einer aufwendigen Hochsteckfrisur verarbeitetes Haarteil. Das Dekolleté ihres ärmellosen, schreiend pinkfarbenen Satinkleids gewährte Einblicke fast bis zum Bauchnabel, ein weißer, breiter Lackledergürtel betonte die Taille, darunter bauschte sich der glänzende Stoff in überraschend vielen Falten, und am Saum blitzte neckisch ein weißer Petticoat hervor. Die Absätze ihrer ebenfalls weißen Lackpumps maßen mindestens zwölf Zentimeter, sie überragte uns alle um Haupteslänge. In ihrem Schoß knetete sie unaufhörlich eine royalblaue perlenbestickte Stola.
    Ihre Nervosität war ansteckend. Drei Mal ordnete ich während der Fahrt den Inhalt meiner Handtasche, bis Rostislav vor dem Haus meiner Eltern schwungvoll den Motor abwürgte. Wir kletterten in die warme Spätsommersonne, und mich beschlich ein ungutes Gefühl, das ich als schlechtes Gewissen identifizierte.
    Mit keinem Wort hatte ich Vaters Ressentiments erwähnt. Was hätte ich auch sagen sollen? »Papa ist ein dünkelhafter Snob, stramm rechtskonservativ. Egal, was ihr macht, er wird euch nicht mögen. Und Mama schließt sich immer seiner Meinung an, sie hat keine eigene.«
    Artjom wusste zwar um das gespannte Verhältnis zu meinen Eltern, aber auch ihm hatte ich nichts von dem Telefonat mit Vater erzählt. Am liebsten hätte ich die

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