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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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drei geschnappt und in Sicherheit gebracht.
    Zu spät. Mutter öffnete die wuchtige Eingangstür, nestelte unbeholfen an ihrer Küchenschürze und sagte mit einem Blick auf die Hunde: »Oh. Vielleicht gehen wir außen herum in den Garten. Dein Vater wartet auf der Terrasse.«
    Dann streckte sie doch zur Begrüßung ihre Hand aus, die sofort und herzlich von Darya getätschelt wurde. Artjom und Rostislav klappten sich zu tiefen Dienern zusammen und deuteten ihre Handküsse nicht nur an. Mutter, von dieser für hanseatische Verhältnisse doch sehr stürmischen Begrüßung überwältigt, taumelte rückwärts und stammelte: »Oh, wie nett. Na, dann kommen Sie mal mit.«
    Darya hakte sich bei ihr unter, wir anderen folgten ihnen. Vater stand stocksteif vor der mit dem guten Meissener Porzellan gedeckten Kaffeetafel, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, so als wolle er sie für den Rest des Tages dort lassen. Er hatte die Rechnung ohne Darya gemacht.
    Mit ausgebreiteten Armen ging sie auf ihn zu, rief etwas auf Russisch und hauchte feuchte Küsse auf seine Wangen. Irritiert von der frontalen Attacke gab er Rostislav die Hand, der dabei militärisch die Hacken zusammenschlug.
    Dann wandte Vater sich lauernd Artjom zu.
    »Sie müssen der Herr sein, der so mir nichts, dir nichts beabsichtigt, meine Tochter zu ehelichen.«
    Artjom lächelte sein breites, entwaffnendes Artjom-Lächeln und sagte: »Herr Matthes, ich freue mich so, Sie endlich kennenzulernen und mich vorstellen zu dürfen. Als Vater sind Sie bestimmt in allergrößter Sorge. Aber hier stehe ich nun, um Ihre Bedenken zu zerstreuen. Bitte fragen Sie mir Löcher in den Bauch.«
    Und da stand er, ein Bild von einem Mann, hoch aufgerichtet, und schaute seinem Gegenüber fest in die Augen. Ich platzte fast vor Stolz.
    Es dauerte jedoch eine geraume Weile, bis Vater mit der Inquisition beginnen konnte. Erst überreichte Rostislav mit großer Geste die Geschenke. Unter Ahs und Ohs befreite Mutter russisches Konfekt, eine kunstvoll aus Birkenrinde geschnitzte Schatulle, eine bunte Matrjoschka und eine Flasche unbekannten Inhalts aus knisterndem Seidenpapier. »Das ist Horilka«, erklärte Artjom, »ein ukrainischer Wodka. Mein Großvater lebt in der Ukraine.«
    »So, Ihr Großvater lebt noch?«, schnappte Vater.
    »Zum Glück, ja. Natürlich ist er längst im Ruhestand.« »Ruhestand? Wovon ruht er sich denn aus?«
    »Er war Zahnarzt in Kiew.«
    Bevor Vater nachhaken konnte, brach im hinteren Teil des Gartens ein Tumult aus. Der debile Weimaraner hatte in seinem Zwinger Witterung aufgenommen und warf sich bellend gegen die Gitterstäbe. Seine vier Artgenossen antworteten lautstark.
    »Eika, aus!«, brüllte Vater, ohne dass irgendeiner der Hunde reagierte.
    Entschlossen stapfte Darya über den englischen Rasen, centgroße Grassoden flogen dabei um ihre Knöchel, und schnauzte die ihren an, die sich unmittelbar trollten.
    »Vorsicht«, brüllte Vater erneut, »das ist ein abgerichteter Jagdhund, nicht ganz ungefährlich!«
    »Oooch, Chundchen«, sagte Darya und öffnete den Zwinger. Die gefährliche Bestie warf sich fiepend auf den Rücken, streckte den nackten Bauch nach oben und ließ sich kraulen.
    »Oooch, Chundchen, fain, fain«, flötete Darya, gab Eika einen abschließenden Klaps und schickte sie unter Vaters schwachem Protest zu ihren Artgenossen auf den Rasen.
    Schließlich konnte die Gesellschaft an der Tafel Platz nehmen. Vater machte einen leicht ermatteten Eindruck, Darya setzte sich neben ihn und ergriff mütterlich seine Hand, um sie für die nächsten zwei Stunden nicht wieder loszulassen.
    Das gab Rostislav Gelegenheit, sich Mutter zuzuwenden. Beiläufig hatte ich erwähnt, dass mein Schwiegervater in spe fließend Italienisch sprach.
    »Italien!«, stieß meine Mutter aus, eine schwärmerische Röte zog über ihr Gesicht. Als junges Mädchen hatte sie im Rahmen eines Austauschprogramms ein halbes Jahr bei einer Familie in Florenz verbracht. Davon zehrte sie bis heute.
    Rostislav lief zur Höchstform auf und parlierte tatsächlich einwandfrei in der melodischen Sprache. Mutter klaubte beflügelt die letzten Reste ihres rudimentären Wortschatzes zusammen.
    »Sì, sì!«
    »Davvero?«
    »Non mi dire!«
    »Che carino!«
    »Incredibile!«
    Vater schaute missbilligend, anders als sonst gelang es ihm aber nicht, sie dadurch zum Schweigen zu bringen.
    Also unterzog er Artjom einem Verhör, fragte nach Abstammung, Alter, Ausbildung und Auskommen. Artjom

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