Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
musste, wenn ich mein Elternhaus betrat.
Erst nachdem wir ausgiebig die Welpen bewundert hatten, ließ Darya uns in Ruhe. Ich führte Lena ins Gästezimmer, hockte mich auf den Teppich und schaute ihr dabei zu, wie sie vergeblich versuchte, ihre Garderobe in dem kleinen Kleiderschrank unterzubringen.
»Lass die Sachen im Koffer, Lena. So lange bleibst du ja nicht hier.«
»Wer weiß …« Sie schniefte wieder.
»Kannst du mir jetzt erzählen, was genau passiert ist?«
Die Sache war simpel: Mischa war vom beruflich eingespannten Ehemann zum eifersüchtigen Bodyguard mutiert. Seit er auf Lenas Wunsch hin andauernd zu Hause war, rückte er ihr nicht mehr von der Pelle. Er brachte sie zur Uni, er holte sie wieder ab. Er zwang sie, ihm stundenlang im Atelier Modell zu sitzen. Er schleppte sie in seinen Tennisverein, in dem er neuerdings Stunden zubrachte, und wollte, dass sie seine Rückhand bewunderte. Und jeder Mann, der ihr einen Blick zu viel zuwarf oder es gar wagte, sie zu berühren, kam nur knapp mit dem Leben davon. Das war insbesondere für Lenas Friseur ein Problem.
Was aber am schlimmsten war: Mischa hatte Zeit zum Nachdenken. Und er dachte, dass es wirklich an der Zeit sei, eine Familie zu gründen. Ein Stammhalter sollte her. Er sprach über nichts anderes mehr. Sein plötzlich erwachter Kinderwunsch wurde zum zentralen Thema ihrer Beziehung.
»Aber ich will noch kein Kind«, sagte Lena, »ich promoviere gerade. Und dann möchte ich noch ein paar Jahre arbeiten.«
»Und Mischa versteht das nicht?«, fragte ich.
»Ach, der Sturkopf! Er sagt immer, wenn wir noch in Russland wären, hätte ich schon mindestens zwei Kinder – und meinen Beruf. Aber wir leben nun mal in Deutschland.«
»Es gibt auch bei uns Frauen, die früh Mutter werden«, wandte ich ein und dachte an Heike.
»Klar, aber die machen meistens keine Karriere.«
»Dann erklär Mischa das doch, und hau nicht einfach ab. Wenn ich dich noch mal daran erinnern darf: Du wolltest, dass er mehr Zeit für dich hat.«
»Ich weiß«, jammerte Lena, »das war ein Fehler.«
»Und nun?«
»Ich lass ihn ein paar Tage schmoren. Der soll ruhig denken, dass ich ihn wirklich verlasse. Vielleicht kommt er dann zur Besinnung.«
»Wenn du meinst«, sagte ich, »ich fahre erst mal nach Hause und schaue heute Abend wieder vorbei.«
»Okay«, sie schniefte wieder, »und niemandem sagen, wo ich bin, ja? Auch nicht Artjom.«
»Verlass dich auf mich.«
Ich machte mich auf den Rückweg und freute mich gerade, dass ich einen Parkplatz direkt vorm Haus gefunden hatte, da entdeckte ich Mischa. Er lehnte im Eingang und guckte finster. Sehr finster.
»Hallo, Mischa«, sagte ich leichthin, »willst du zu Artjom?«
»Ich suche Lena. Weißt du, wo sie steckt?«
»Lena? Nee du, keine Ahnung. Vielleicht ist sie shoppen?«
Ich las in seinen Augen, dass er mir kein Wort glaubte.
»Du weißt, wo sie ist!«
»Weiß ich nicht«, insistierte ich und merkte, wie es an meinem Haaransatz zu kribbeln begann.
Mischa rückte näher, der Muskelberg spannte sich an. Unheilverkündend sagte er: »Paula, das ist alles deine Schuld.«
»Wieso ist es meine Schuld, wenn du keine Ahnung hast, wo deine Frau ist?«
»Ohne deine Idee hätten wir keine Eheprobleme.« Mischa zeigte drohend mit dem Finger auf mich.
Soso, dachte ich, und vor meiner Idee hing euer Himmel voller Geigen? Ich sparte mir aber eine Antwort. Mischa schien Diskussionen gegenüber nicht aufgeschlossen zu sein.
»Genau deshalb wirst du das auch regeln. Sorg dafür, dass Lena zurückkommt. Und zwar schnell. Haben wir uns verstanden?« Mischa konnte wirklich böse gucken.
»Ja«, krächzte ich, »ich kann’s ja mal probieren.«
Er ging, ich blieb zurück. Oben in der Wohnung wartete Artjom auf mich. Streng schaute er mich an.
»Weißt du, wo Lena ist?«
»Nein, und nochmals nein. Das habe ich übrigens deinem Freund Mischa auch schon gesagt.«
»Wo warst du?«
»Bisness«, antwortete ich und zwinkerte ihm zu.
Er verstand keinen Spaß. »In der Kanzlei warst du nicht. Da habe ich nachgeschaut.«
Da hat der Herr nachgeschaut, dachte ich, kontrolliert der mich jetzt etwa auch?
»Außentermin«, sagte ich, »bei einer Mandantin.«
»Paula, sag mir die Wahrheit!«
»Tu ich doch«, log ich. Diesmal kribbelte meine Kopfhaut kein bisschen. Da mein Gatte es mit der Wahrheit auch nicht allzu genau nahm, verspürte ich nicht den Anflug eines schlechten Gewissens. Dennoch war ich froh, als Artjom sich abends
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