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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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mit den Worten: »Ich muss mich um Mischa kümmern« verabschiedete. So konnte ich unbeobachtet und ohne weitere Erklärungen das Haus verlassen.
    In der Casa Matthes erwartete mich ein heiteres Beisammensein. Lena, wieder tipptopp gestylt, half Mutter dabei, das Wohnzimmer vorweihnachtlich zu schmücken. Vater beobachtete die Damen wohlwollend und gab ab und an Anweisungen.
    »Mehr nach links hängen, Luise. Ja, genau so.«
    »Da hinten fehlt noch etwas Tannengrün.«
    Darya saß in Vaters Ohrensessel und betrachtete die Szene missmutig.
    Wir aßen gemeinsam Abendbrot, Daryas Gesichtsausdruck wurde immer übellauniger, Lena plauderte angeregt mit Vater über philosophische Grundsatzfragen. Ich hörte nur mit halbem Ohr hin, da Mutter mich mit ihrem momentanen Lieblingsthema drangsalierte.
    »Ich habe die ganze Sache jetzt vertrauensvoll in Rostislavs Hände gelegt«, sagte sie.
    »Welche Sache?«, fragte ich.
    »Na, unseren Urlaub!«
    Herrje, dachte ich, ist das immer noch nicht vom Tisch?
    »Papa hat sicher überhaupt keine Lust dazu …«
    »Doch, doch, dein Vater freundet sich langsam mit dem Gedanken an. Oder, Karl?«
    Kurz blickte Vater zu uns und sagte: »Ja, ja, macht ihr mal.«
    Entweder hatte er nicht richtig zugehört, oder Deduschkas nächtliche Geburtshilfe hatte ihn seine Einstellung zu Osteuropäern überdenken lassen. Mutter war in ihrem Element.
    »Ach, das wird schön. Ich freu mich so. Wir alle zusammen, herrlich …«
    »Mama, ich hab so viel zu tun und Artjom auch. Es wird bestimmt schwierig, einen Termin zu finden, an dem wir alle Zeit haben …«
    »Wir richten uns da ganz nach euch, Kind. Überhaupt kein Problem. Oder, Karl?«
    »Ja, ja, macht ihr mal.«
    »Mama, das geht nicht. Wer soll sich denn um die Hunde kümmern, wenn wir alle nicht da sind?«
    »Da wird sich schon eine Lösung finden. Oder, Karl?«
    »Ja, ja.«
    Ich gab auf und fluchte lautlos. Gegen die neue Einigkeit der Eheleute Matthes hatte ich keine Chance.
    Nach dem Essen verabschiedete Darya sich einsilbig, Rostislav stand hupend in der Einfahrt, ich wollte mich mit Lena ins Gästezimmer zurückziehen.
    »Einen Augenblick«, sagte Vater, »ich habe da etwas für Sie.« Er entschwand in sein Arbeitszimmer und kam mit einem Buch zurück, das er Lena in die Hand drückte.
    »Kleine Nachtlektüre«, sagte er mit einem verlegenen Lächeln.
    Lena betrachtete den Titel. »Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie. Antike und Mittelalter.«
    Das klingt ja spannend, dachte ich, die perfekte Einschlafhilfe.
    »Der Autor kommt mir so bekannt vor«, sagte Lena, »ist das nicht ein ehemaliger Bundesverfassungsrichter?«
    Angeberin, dachte ich.
    »Genau«, Vater strahlte, »was Sie alles wissen!«
    »Da werfe ich sehr gern einen Blick hinein. Auch wenn es nicht mein Fachgebiet ist, die Rechtsphilosophie hat mich schon immer interessiert. Danke, Herr Matthes.«
    Schleimerin, dachte ich.
    »Für Sie ab sofort: Karl«, sagte Vater.
    Als wir endlich allein waren, kicherte Lena. »Dein Papa ist echt toll. So klug. Und so charmant!«
    Vater? Charmant? Ich bekam einen Hustenanfall, Lena klopfte mir auf den Rücken. Als ich mich beruhigt hatte, fragte ich:
    »Hast du inzwischen Mischa angerufen? Er sucht dich. Und mir gibt er die Schuld an deinem Verschwinden.«
    »Na, da hat er nicht ganz unrecht.«
    »Bitte?«
    »Das war schließlich deine Idee …«
    »Weißt du, was? In Zukunft löst ihr eure Eheprobleme bitte ohne mich!«
    »Mensch, Paula, sei doch nicht gleich beleidigt. Nimmt dir doch keiner übel. Du hast es nur gut gemeint.«
    Du kannst mich mal, dachte ich und fragte nochmals: »Hast du Mischa angerufen?«
    »Nein. Vielleicht morgen. Das ist so nett hier bei deinen Eltern.«
     
    Darya vereitelte Lenas Pläne, sich gemütlich in Nienstedten einzurichten. Nachdem sie zwei weitere Tage das Treiben des in ihren Augen ungebetenen Gastes beobachtet hatte, entschied sie, dass in diesem Haus nur Platz für eine Russin war. Sie rief Mischa an.
    Einem Tornado gleich stürmte er, begleitet von Artjom, der mich mit einem bösen Blick bedachte, das Haus meiner Eltern und warf sich seiner Frau zu Füßen. Vater, ganz alte Schule, bot den beiden sein Arbeitszimmer zur Aussprache an. Hinter der Tür flogen die Fetzen, vor der Tür stand Darya, lauschte und erstattete Bericht. Artjom übersetzte.
    Quintessenz des zweistündigen Disputs war: Sie vertrugen sich. Sie liebten sich. Mischa versprach, Lena wieder mehr Freiraum zu lassen. Lena ihrerseits

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