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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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irgendwo da draußen wie ein greiser Rambo lauerte – in seinem Trainingsanzug verschmolz er perfekt mit den Bäumen – und nur darauf wartete, dass sie die Hütte verließen, um sie mit selbstgebauten Selbstschussanlagen niederzumähen.
    Keiner nahm ihn ernst, da es mit der Geiseltheorie vorne und hinten haperte. Doch bei einem Punkt waren sie sich einig: »Der Russe ist zu allem fähig.« Die Vernünftigen wollten die Polizei rufen. Der Plan wurde wieder verworfen, nachdem einige zugeben mussten, dass sie zum Teil nichtregistrierte Waffen und auch Munition, die streng genommen gar nicht für die Jagd zugelassen war, mitgebracht hatten. Und bevor deren Verbleib nicht geklärt war, mochte man gern auf die Hüter des Gesetzes verzichten.
    Alle Augen richteten sich auf Vater. Er hatte diesen Verrückten angeschleppt, sollte er das Problem doch lösen.
    »Karl, sieh zu, wie du das wieder hinkriegst. Wir zählen auf dich.« Mit diesen und anderen aufmunternden Worten wurden in Windeseile die Sachen gepackt, und die loyalen Kameraden ließen Vater allein zurück.
    Nachdem er mehrere Stunden erfolglos durchs Gestrüpp gestreift war, sah Vater ein, dass er Alexej nicht finden würde – vielleicht auch deshalb, weil der nicht gefunden werden wollte – und dass es an der Zeit war, Hilfe zu holen. Wohl oder übel musste er uns anrufen.
     
    »Ach, Papa«, stöhnte ich, »das ist ja fürchterlich! Was machen wir jetzt nur?«
    »Ich weiß es nicht, Paula«, sagte er, »ich bin mit meinem Latein am Ende.«
    Artjom war nicht sonderlich beunruhigt und inspizierte interessiert die Pfanne mit dem kalten Speck.
    »Ob der wohl noch gut ist? Na, lieber nicht …«
    »Ich fasse es nicht, wie kannst du jetzt nur ans Essen denken?«
    »Ich hab halt ein bisschen Hunger«, sagte er entschuldigend. »Wie wär’s, wenn wir Deduschka mal anrufen?«
    »Anrufen? Wo denn?«
    »Auf seinem Handy natürlich. Wo sonst?«
    »Alexej hat ein Handy?«, fragte Vater und brach fast zusammen.
    »Na klar, was denkst du denn?«
    »Und das sagst du erst jetzt?«, fragte ich. »Warum hast du ihn nicht gleich vorhin angerufen?«
    »Du beschwerst dich doch immer, ich würde überreagieren«, antwortete Artjom, »ich wollte nicht die Pferde scheu machen.«
     
    Feierlich wählte mein Mann eine Nummer. Alexej ging sofort ran. Im sich anschließenden Telefonat wurde viel gelacht, Artjom kritzelte etwas auf einen Zettel und sagte, an uns gewandt: »Na, dann kommt.«
    »Wohin?«
    »Mathildenstraße. Das muss irgendwo im Karoviertel sein.«
    Wir räumten notdürftig auf und zuckelten gen Hamburg. Tatsächlich lag die genannte Adresse im Karolinenviertel, einem bunt-alternativen Stadtteil im Herzen der Hansestadt. Ich parkte mitten auf dem Bürgersteig, auf einen Strafzettel kam es nun wahrlich nicht mehr an. Wir erklommen fünf Stockwerke eines Altbaus und klingelten an einer Tür mit diversen Namensschildern.
    Eine nur notdürftig bekleidete junge Frau öffnete uns und wies uns den Weg in die Gemeinschaftsküche. Schwere, süßliche Rauchschwaden waberten uns entgegen, ein fröhlicher Kerl mit wirren Locken winkte uns zu, Alexej schlummerte selig auf der Eckbank.
    »Sodom und Gomorrha«, murmelte Vater, »Sodom und Gomorrha.«
    »Voll krasser Typ, euer Opa«, sagte Deduschkas Gastgeber.
    »Wo sind die Gewehre?«, wollte Vater sofort wissen.
    »In der Elbe.«
    Der Wirrkopf drehte sich in aller Ruhe eine Zigarette und gab bereitwillig Auskunft über die Geschehnisse. Ja, er sei Tierschützer. Zufällig hätten er und seine Mitstreiter von der geplanten Jagd erfahren und beschlossen, diese zu vereiteln. Nein, natürlich habe er keinen Hochsitz angesägt, Gewalt als Mittel im Kampf lehne er ab. Er stelle sich doch nicht auf eine Stufe mit diesen Scheiß-Grünröcken.
    Vater wollte etwas sagen, ich trat ihm unterm Tisch auf den Fuß. Der Tierfreund erzählte munter weiter. Die Aktion sei ja leider etwas schiefgelaufen und er von diesen bekloppten Waffennarren überwältigt worden. Der Opa, vor dem ihm erst ein wenig bange war, habe ihn dann befreit.
    »Voll krass, den anderen hat er irgendwas ins Essen geschüttet. Die lagen da wie tote Käfer.«
    Später erfuhren wir, dass es sich um ein veterinärmedizinisches Produkt, ein Betäubungsmittel für Rinder und Pferde, handelte. Vater litt noch mehrere Tage unter Kopfschmerzen.
    Jedenfalls konnte der engagierte Tierschützer Deduschka von der guten Sache überzeugen. Gemeinsam sammelten sie Waffen und Munition

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