Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
Alexej und Frau Hinrichs schlossen sich an. Mischa griff zum Handy, und kurze Zeit darauf schossen zwei dunkle Limousinen in die Schrebergartensiedlung, um die älteren Herrschaften nach Hause zu bringen.
»Was macht Lenas Mann noch einmal beruflich?«, fragte Vater.
»Er ist in der, äh, Gastronomie tätig.«
»Soso, Gastronomie.«
Ich sank schläfrig in Artjoms Arme und murmelte: »Das war ein schönes Fest.«
»Ja, das war es. Bei uns sagt man, so wie das alte Jahr zu Ende geht, so wird das neue.«
»Du meinst, es wird laut und kracht?«
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17
D as neue Jahr tröpfelte vorerst friedlich in unser aller Leben. Jeder ging seinen Geschäften nach, Artjom managte seine Events, meine Eltern pflegten ihren Waffenstillstand, Darya und Rostislav waren nach Deduschkas Außenarbeiten nun mit der innenarchitektonischen Gestaltung der Datscha beschäftigt. Der Einzige, der nervte, war Alexej.
Das lag weniger an ihm persönlich als an der Tatsache, dass ich unsere Wohnverhältnisse als beengt empfand. Es war schon eine Umstellung für mich gewesen, mein Reich mit Artjom zu teilen. Nun hockte noch dazu dieser Zweimetermensch auf meinem Sofa oder in der Küche, und ich hatte keine Ahnung, wie lange das so weitergehen sollte.
»Sag mal, Schatz«, suchte ich das Gespräch mit meinem Mann, »wie lange bleibt dein Großvater eigentlich noch?«
»Keine Ahnung.«
»Aber irgendwann will er doch bestimmt wieder nach Hause. Sein Visum läuft ja nicht ewig.«
»Ich hab den Eindruck, er fühlt sich ganz wohl bei uns. Und das Visum kann man problemlos verlängern.«
»Kann man?«
»Na klar. Da gibt’s verschiedene Möglichkeiten.«
»Tatsächlich? Wie schön …«
Ich fluchte innerlich, wusste aber genau, dass mich Renitenz nicht weiterbrachte, und beschloss, Alexej die Datscha als Domizil schmackhaft zu machen, sobald die Außentemperaturen es zuließen. Da war der alte Naturbursche doch wunderbar aufgehoben. Und ich würde wieder ein ungestörtes Sexleben führen.
Zimmer an Zimmer mit Deduschka zu schlafen, hatte einen ungünstigen Einfluss auf meine Libido. Sobald Artjom und ich begannen, Zärtlichkeiten auszutauschen, schob sich vor mein geistiges Auge das Bild von Alexej, wie er nebenan lag und schnarchte oder – schlimmer noch – sein Ohr an die Wand presste. Und nichts ging mehr.
Artjom meinte zwar, ich würde mich anstellen, und sein Großvater sei nun wirklich aus dem Alter heraus, voyeuristischen Neigungen zu frönen. In Anbetracht der Tatsache, dass er Frau Hinrichs den Hof machte, war ich mir da nicht sicher.
Ganz unerwartet sorgte Vater dafür, dass wenigstens für ein paar Tage wieder Normalität bei uns einzog. Er lud Alexej ein, ihn über ein verlängertes Wochenende auf eine Jagdgesellschaft zu begleiten.
»Damwild«, frohlockte Vater, »eine der letzten Chancen, die Saison ist bald vorbei.« Alexej war Feuer und Flamme, obwohl ich bezweifelte, dass er wusste, was die Vokabel »Damwild« zu bedeuten hatte.
Ich stand diesem Hobby von jeher skeptisch gegenüber und konnte die Begeisterung meines Vaters, in seiner Freizeit Tiere zu töten, nie nachvollziehen. Zumal ich fand, dass es ein äußerst ungleicher Kampf war, der da in Wald und Flur ausgetragen wurde – schön komfortabel vom Hochsitz herunter ahnungslose Geschöpfe abknallen.
Außerdem konnte ich Vaters Jagdkameraden nicht leiden. Ein-, zweimal war ich dieser reaktionär-jovialen Bande im Haus meiner Eltern begegnet. Ich mochte mir nicht vorstellen, wie sie einen ehemaligen russischen Kriegsgefangenen in ihrer Mitte willkommen heißen würden.
Mensch, Matthes, beruhigte ich mich, die werden sich schon verstehen. Die Aussicht auf ungestörte Zweisamkeit war einfach zu verheißungsvoll und durfte nicht getrübt werden.
Wir verlebten zwei wundervolle Tage. Um gegen Überraschungsbesuche meiner Schwiegereltern gefeit zu sein, behaupteten wir, dass wir beruflich in Berlin zu tun hätten. Vorsichtshalber stellten wir die Klingel ab und schalteten alle Telefone aus. Ruhe, endlich Ruhe.
Meine Hormonproduktion war gerade wieder zu Höchstleistungen aufgelaufen, als es hysterisch an der Haustür klopfte. Zuerst ignorierten wir das Geräusch, doch es wurde lauter, aus dem Klopfen ein Hämmern, dann ein Wummern.
»Na gut, mach schon auf«, seufzte ich, »bevor deine Mutter die Tür aufbricht.«
»Wie kommst du darauf, dass das meine Mutter ist?«
»Wer sollte es sonst sein?«
Es war Frau Hinrichs.
»Ihr Vater ist am Telefon«,
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