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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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Ach, das interessiert dich nicht? Okay, tschüss.
    Nein, die Blöße wollte ich mir nicht geben. Wenn meine überstürzte Flucht irgendeinen Sinn haben sollte, dann doch nur, dass Artjom anfing nachzudenken, dass er reumütig angekrochen kam, um mich um Verzeihung zu bitten und Besserung zu geloben. Dass er sich stattdessen gar nicht meldete, passte nicht in mein Konzept.
    Eigentlich hatte ich fest damit gerechnet, er würde, keine zwölf Stunden nach meinem Abgang, mit großer Geste und viel Getöse in Dithmarschen einreiten. Nun gut, streng genommen konnte er nicht wissen, wo ich war. Und zugegeben, ich hatte geschrieben, dass ich Ruhe haben wollte. Aber es war ungewöhnlich, dass er sich daran hielt.
    Er liebt mich nicht mehr, dachte ich, riss einen Streifen von der Klopapierrolle, die ich vorsorglich auf dem Wohnzimmertisch deponiert hatte, und rotzte hinein. Ach was, er hat mich nie geliebt. Wahrscheinlich hat er mich nur geheiratet, um seinen Aufenthalt in Deutschland endgültig zu sichern. Scheinehe, dachte ich, ich führe eine Scheinehe.
    Sogar in meinem beklagenswerten Zustand war mir klar, dass das Unsinn war. Doch es tat gut, mich in dunkle Fantasien hineinzusteigern und mir das Schlimmste auszumalen. Es lenkte davon ab, mich mit dem eigentlich Geschehenen auseinanderzusetzen.
    Denn wie würde ich nach meiner Landpartie, die nicht ewig dauern konnte, mit Artjoms Halbwahrheiten umgehen? Sollte, wollte ich ihn deshalb verlassen? Ich verbannte Gedanken an das Undenkbare, griff nach einem der Bücher und versank in Vladimir Sorokins düsteren Welten, die nicht wesentlich zur Steigerung meiner Laune beitrugen.
    Am Abend gab ich mein Eremitendasein für eine Stunde auf und stattete meiner Gastfamilie einen Besuch ab. Heikes Eltern saßen in der guten Stube, ihr Vater nickerte im Ohrensessel, einen räudigen Kater auf dem Schoß, ihre Mutter stopfte Socken.
    »Na, wie geiht di dat?«
    »Och, geht so. Danke für den Eintopf, der war echt lecker.«
    »Da nich’ für. Sach ma’, wie lang bleibs du denn?«
    »Weiß ich noch nicht. Braucht ihr das Ferienhaus?«
    »Nee, nee. Aber am Wochenende is Boßeln. Vielleicht has du Lust?«
    »Schauen wir mal.«
    »Ja, immer suutsche.«
    »Genau, in der Ruhe liegt die Kraft.«
     
    Die Ruhe und Abgeschiedenheit zeigten in der Tat ihre Wirkung. Trotz beträchtlichen Alkoholkonsums klärte sich mein Kopf, nach zwei weiteren Tagen und einem Ausflug nach Husum – das völlig zu Recht die graue Stadt genannt wurde, dort konnte man im Winter nur depressiv werden – begann ich, Artjom zu vermissen. Und Deduschka. Sogar Rostislav und Darya fehlten mir. Langsam war ich bereit, allen alles zu verzeihen.
    Deshalb tat mein Herz einen aufgeregten Hüpfer, als ich nach einem meiner Märsche durch die Marsch die Polyakowsche Rostlaube auf dem Hof entdeckte. Ha, dachte ich, da ist er endlich! Aufgeregt lief ich zu meinem Häuschen. Dort war niemand. Ich stürmte ins Bauernhaus und wäre in der Küche vor lauter Überraschung fast lang hingeschlagen. Im vollen Hofstaat saß Darya am Tisch und schälte einträchtig mit der Bäuerin Kartoffeln.
    »Du has Besuch.«
    »Das sehe ich. Darya, was machst du hier?«
    »Ässen«, sagte sie und überging meine Enttäuschung.
    Die beiden Damen kochten in aller Ruhe vor sich hin, Heikes Vater kam pünktlich zum Abendessen herein und beäugte neugierig den exotischen Gast.
    Der Dithmarscher an sich neigt nicht zur Geschwätzigkeit, daher fiel es den Bauersleuten nicht weiter auf, dass Darya und ich während des Mahls kaum ein Wort wechselten. Nach dem Essen drückte mir Heikes Mutter Bettzeug in die Hand.
    »Was soll ich damit?«, fragte ich.
    »Das is für deine Schwiegermudder.«
    »Du willst hier schlafen?« Erstaunt sah ich Darya an. Sie deutete auf einen großen Koffer, der in einer Ecke stand. Du meine Güte, dachte ich, sie plant einen längeren Aufenthalt.
    »Na, dann komm.«
    Sie inspizierte das Ferienhaus auf das genaueste, missbilligend betrachtete sie die leeren Weinflaschen in der Küche und rümpfte die Nase ob der beschränkten Räumlichkeiten. Dann okkupierte sie das Sofa, das man zu einem Bett ausklappen konnte, und klopfte mehrmals neben sich auf das Polster. Ich verstand die Aufforderung und setzte mich zu ihr.
    Umständlich öffnete sie ihren Koffer, der neben diversen Outfits auch Fotoalben, vergilbte Dokumente und ein russisch-deutsches Wörterbuch enthielt. Sie schlug eins der Alben auf, blätterte ein wenig darin herum und

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