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Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Titel: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frascella
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diese Bluse sei (Frà), dass es bald regnen würde (Chef). Ich nahm nicht teil an dieser bemerkenswerten Konversation und hob die Augen nicht vom Teller.
    Eine Weile dachte ich an die Feinkosterin, dann schüttelte ich den Kopf, als wollte ich eine Fliege vertreiben.
    »Ich arbeite als Personalchefin in einem wichtigen Supermarkt«, antwortete Virginia auf eine Frage der Robbe. Sie nannte den Namen des Supermarkts, und meine Schwester machte: »Oooh!«.
    »Ja, ich trage eine große Verantwortung«, nahm Vì den Ball im Flug auf. »Männer denken die schrecklichsten Dinge über Frauen, die ihre Vorgesetzten sind, Francesca.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Wir leben in einer Konkurrenzgesellschaft.«
    Fehlte nur noch, dass sie sagte: »Wir sind nicht mehr in der Steinzeit« oder: »Inzwischen sind wir so gut wie sie, wenn nicht noch besser!«.
    Mein Vater nickte kauend, von ihrem Gerede wie hypnotisiert. Und Vì gefiel das, außerdem freute sie sich über den Eindruck, den ihre emanzipierten Betrachtungen auf das abstoßende kleine Schmuddelkind, meine Schwester, machten.
    Zwischen dem ersten und dem zweiten Gang entwischte mir eine Art Gähnen, das ich nur halbwegs in der Kehle ersticken konnte.
    Der Chef beobachtete mich mit eisigen Blicken, er schien sich auf einer unendlich langen Liste Notizen über mein flegelhaftes Benehmen als Gastgeber und Tischgenosse zu machen.
    Ich drehte das Fleisch auf dem Teller hin und her, schnitt ein Stück ab, es war roh und fühlte sich an, als würde ich in den Arsch eines noch lebenden Kalbs beißen.
    »Ich liebe halb durchgebratenes Fleisch!«, rief Vì aus.
    »Ich auch«, sagte ich.
    »Wirklich?«
    »Ich bin süchtig danach.«
    Francesca schien entzückt. »Papa hat mir gesagt, dass du es so magst.«
    Virginia bedachte ihn und die brave, ergebene Tochter mit liebevollen Blicken. Dann wandte sie diesen gütigen Blick in meine Richtung, ohne jedoch einen triftigen Grund zu finden, mich in diese wie fürs Familienalbum gemachte herzergreifende Liebesszene einzuschließen. Schon bald würde die Musik aus der Reklame für Barilla-Pasta erklingen, jemand würde Kerzen auf den Tisch stellen, und alle würden sich hochzufrieden umarmen, umweht vom milden Hauch der Glückseligkeit.
    »Entschuldigt mich bitte«, sagte ich und sprang auf.
    Mit raschen Schritten erreichte ich das Klo und schloss mich darin ein. Der Gestank von Scheuermittel machte mich eine Zeitlang benommen. Ich öffnete das Fenster, zündete mir eine Zigarette an und spähte nach draußen. Vielleicht hatte der Liebhaber der Schmuddeligen sich ja wieder in der Umgebung postiert.
    Nichts. Nur die Straße, dicke schwarze Regenwolken in der Ferne, leise Popmusik vom Ende des Wegs.
    Mir war ganz schlecht vor Wut.
    Vielleicht liegt es ja daran, dass sie Mittagessen wie dieses nicht ertragen, wenn Menschen auf den Dachboden steigen, das Gewehr laden, wieder nach unten gehen und die ganze Familie mit Schrotkugeln durchsieben. Ganz bestimmt aber passiert es während oder nach solch unerträglichen Zusammenkünften, dass einer beschließt, die Koffer zu packen, um so weit wie möglich wegzukommen von so viel grauenhafter Banalität.
    Aber ich hätte nicht gewusst, wohin und mit wem.
    »Alles in Ordnung?«, fragten sie mich, als ich zurückkehrte.
    Kaum hatte ich mich gesetzt, rochen sie den Rauch.
    Virginia rümpfte ihr Näschen und kräuselte verärgert die Lippen.
    Der Chef, der bei Tisch den Wein nicht mal angerührt hatte und den ich, jetzt fiel es mir plötzlich auf, seit geraumer Zeit keine Zigarette hatte rauchen sehen, schüttelte den Kopf.
    Ebenso die Mönchsrobbe.
    »Mit so einem Laster ist halt nicht zu spaßen …«, sagte ich.
    »Mein Nachbar ist vor knapp einem Monat an Lungenkrebs gestorben«, sagte Virginia ernster als eine Berichterstatterin aus Tel Aviv nach mehreren Bombenanschlägen auf dem Marktplatz.
    »Hast du geweint?«, fragte ich frech.
    Ich war darauf gefasst, dass der Chef mir einen Teller an den Kopf oder gleich ein Messer an den Hals werfen würde, doch er erstarrte nur.
    »Ich kann dir sagen«, zischte sie böse, »dass die Luft in der Nachbarschaft jetzt entschieden besser geworden ist.«
    »Ich verstehe.«
    »Nein, ich glaube nicht, dass du verstehst.« Ihre Augen waren gläserne Druckkammern. Ich las darin beunruhigende Vorzeichen für mein Schicksal. »Es handelte sich jedenfalls um ein vom Laster dahingerafftes Menschenleben.«
    Ich steckte eine Hand in die Hosentasche und fasste mir

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