Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe
vorsorglich an die Eier. »Wie auch immer, Signora«, sagte ich, »für uns sorgt hier schon meine Schwester mit ihren fixen Ideen von Vergebung, Sünde, Christus dem Erlöser und allen anderen Dingen, die die Religion langweilig machen.« Ich zeigte auf meinen Vater. »Nehmen wir zum Beispiel den Chef. Seit Ewigkeiten setzt er keinen Fuß mehr in die Kirche und ist ungefähr so fromm wie eine Kalbshaxe. Aber da ihr euch so gerne mögt und so weiter, werde ich dir nicht erzählen, dass er praktisch Alkoholiker ist und ein Kistenschlepper, der immer geraucht hat wie ein Schlot. Ich meine: falls ihr euch wirklich gernhabt.«
Ein Teller. Ein Messer? Ein Stuhl? Weit gefehlt.
Sie legte dem Chef eine Hand auf die Schulter und sagte: »Er ist schon dabei, sich sehr zu verändern. Zum Besseren natürlich.«
»Gib lieber nicht so an. Was Schlimmeres als den Schweinestall, in dem du ihn aufgelesen hast, konntest du ihm gar nicht bieten.«
Mein seelisch ausgeglichener Vater zeigte lediglich die Miene eines Menschen, der beschlossen hat, eine Angelegenheit, bei der es um Arschtritte und Ohrfeigen gehen würde, noch aufzuschieben.
Aber das Ganze war einfach zu komisch. Von einer amüsanten Traurigkeit.
»Wir werden alles in Ordnung bringen, was hier nicht funktioniert«, erklärte sie mit diesem strahlenden falschen Lächeln, das man ihr mit der Machete hätte austreiben müssen.
Nicht mal eine Stunde in meinem Haus, und schon wollte sie gründlich aufräumen. Kranke Situationen gibt es überall. Auf der Straße, in den Machtzentralen, in der Schule, überall. Und irgendwann taucht immer jemand auf, der glaubt, die Methode zu kennen, mit der man die Welt neu programmiert. Fast immer sind das Politiker, manchmal Leute wie diese Virginia: alle mit dem Zauberstab, der aber mitnichten funktioniert und am Ende immer in den unaussprechlichen Öffnungen von Leuten wie unsereinem steckt.
Beim Kaffee stellte die Mönchsrobbe, von nun an Frà genannt, die Frage des Tages, die sie sich für das große Finale aufgespart hatte. Sie fragte: »Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?«
Ohgott.
Nicht mal genug Anstand, um gewisse Peinlichkeiten zu vermeiden.
Jedenfalls war der Chef eines Tages in den Supermarkt gekommen, wo sie das höchste Tier in einer Reihe ehemals oder niemals hoher Tiere war. Er sollte meinem Onkel helfen, seinem Bruder Cosimo, der sich dort um nicht allzu komplizierte technische Dinge wie Instandhaltungen oder Handlangerarbeiten kümmerte. Ich hatte ihn auch schon saubermachen sehen, und Weihnachten half er oft beim Wachdienst, denn Ladendiebstahl wurde offenbar zu einer Art Kunst, die nur geniale Männer wie mein Onkel verhindern konnten.
Das Lager des Supermarkts war in einem verheerenden Zustand, also hatte Onkel Cosimo meinen Vater und vier Marokkaner gerufen, damit sie aufräumten. Sie brauchten drei Tage. Der Mann, der sich normalerweise um die Schwarzarbeiter kümmerte, war damals gerade krank. Und so erschien die Thatcher der Barcodes persönlich, Virginia, um die heikle Frage der Entlohnung der Ad-hoc-Arbeiter rasch zu erledigen, fünf Umschläge mit Bargeld in der Hand und bestrebt, möglichst schnell wieder zu angemesseneren Aufgaben zurückzukehren.
Sie war in das Lager gekommen, als der Chef, der natürlich wusste, wie man sich bei der Arbeit nicht totmacht, dem Afrikanertrupp gerade Anweisungen über das Einräumen der letzten Kartons erteilte.
Mit seinem grauen Schopf und der Haltung eines in Karthago einmarschierenden römischen Heerführers, seinem rauen, aber verständlichen und vernünftigen Tonfall, sogar seinem Aussehen, das verschwitzter und abgerissener nicht hätte sein können, erschien er Virginia – ich zitiere – »wie ein Mann, der wusste, was er tat, dem das Schicksal jedoch durch persönliches Pech oder üble Nachrede anderer nicht das gegeben hatte, was ihm von Natur aus zugestanden hätte.«
Nach diesem Satz wurde der Schluck Kaffee, den ich gerade trank, in meiner Kehle zu einem harten Klumpen, und ich begann zu husten. Das Gespräch brach ab, ich musste Wasser trinken, um Entschuldigung bitten und sie anflehen, fortzufahren.
An den folgenden Tagen hatte Virginia jedes Mal, wenn im Supermarkt derartige Arbeiten nötig wurden – und wahrscheinlich auch, wenn sie nicht so nötig waren, denn wenn es juckt, dann juckt es –, durch Onkel Cosimo eiligst meinen Vater holen lassen, und die beiden hatten, sagen wir, eine Zuneigung zueinander entwickelt.
Während die
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