Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

sich auf, und Dad brüllte Raus aus meinem Haus . Jas schrie So sprichst du nicht mit ihm , und Dad schrie zurück Unter meinem Dach spreche ich, wie ich will und deutete mit zitterndem Finger zur Decke.
    Leo rannte raus. Dad schrie ihm nach Du hast Hausverbot, und ich verbiete dir den Kontakt mit meiner Tochter, und knallte die Wohnzimmertür zu. Ein altes Familienbild fiel von der Wand und zersplitterte. Das kannst du nicht machen , sagte Jas wütend und fuchtelte mit den Händen. Du kannst mir nicht verbieten, ihn zu sehen . Dad antwortete Und ob . Dann wandte er sich zu mir.
    Hast du Rose lieb , fragte er, und ich sagte sofort Ja . Dad trat einen Schritt näher. Weißt du noch, wie sie gestorben ist . Seine Stimme war leise und gefährlich. Ich schluckte, aber in meinem Mund war keine Spucke. Ich nickte. Dad schloss die Augen. Anscheinend versuchte er, irgendwas in den Griff zu kriegen, aber es war zu stark für ihn. Er fing an gegen die Couch zu treten und brüllte LÜGNER . DU BIST EIN LÜGNER , JAMES . Ich drückte mich an die Wand. Dad schmiss ein Kissen, und es traf die Lampe, die quietschend hin und her schwang. Ich bin kein Lügner , sagte ich und fiel auf die Knie, als Dad auf mich zuschoss. Die Urne auf dem Kaminsims geriet ins Schwanken. Wie kannst du dann so was machen , brüllte Dad so laut, dass seine Stimme in meinen Ohren dröhnte wie ein zu laut gestellter iPod. Wenn du die Wahrheit sagst, wie kannst du dann mit diesem Mädchen befreundet sein .
    Lass ihn in Ruhe , sagte Jas und ging neben mir auf die Knie. Sie weinte und zitterte, als sie mir den Arm um die Schultern legte. Dad beugte sich vor und schrie Jas ins Gesicht Hast du das gewusst . Wusstest du, dass Jamies Freundin Muslimin ist . Jas schaute mich an, aber sie sah nicht enttäuscht oder wütend aus, nur fragend, und sie drückte mir die Schulter, als wolle sie sagen Mir macht das nichts . Dad brüllte Eine SCHEISSERRORISTIN , und Spucke lief ihm übers Kinn. Ich wollte ihm eigentlich sagen, dass er nicht recht hatte, weil alle Terroristen, die ich aus dem Fernsehen kannte, Männer über zwanzig und nicht Mädchen unter elf waren, aber Dads Faust war schneller und traf direkt über meinem Kopf die Wand, und ich schlug rasch die Hände vors Gesicht und duckte mich.
    Meine Augen waren an meine Knie gedrückt, und dann hörte ich plötzlich, dass Dad weinte. Er schniefte, und seine Stimme klang erstickt und klebrig, weil ihm Rotz in den Hals lief. Du weinst nie um sie , sagte er, und ich fühlte mich so schlecht, als sei ich an allem schuld, was mit meiner Familie schiefgelaufen war. Ich piekte mir ins Auge, damit Wasser rauslief.
    Du kannst sie gar nicht liebhaben , sagte Dad, und seine Stimme klang plötzlich ganz ruhig. Ich spähte durch die Finger. Dad ging zum Kamin und starrte auf die Urne. Du hast diese ganzen Lügen geschrieben, als ob sie noch am Leben wäre, und dabei ist sie seit fünf Jahren tot. Und du hast eine Muslimin als Freundin . Er nahm die Urne vom Kamin. Sie zitterte in seinen Händen, und seine schwitzigen Finger hinterließen Flecken auf dem Gold. Schau, was sie mit ihr gemacht haben, James , sagte Dad und hielt die Urne hoch. Schau, was Muslime deiner Schwester angetan haben . Er sah nicht mehr wütend aus, nur trauriger als der traurigste Mensch, den ich mir vorstellen kann, und das ist Spider-Man, als sein Onkel Ben stirbt. Jas weinte noch mehr, und ich wünschte, meine Augen könnten das auch.
    Es wurde ganz still, und ich wusste, dass es vorbei war, aber ich wusste nicht, ob ich schon wieder sprechen sollte. Deshalb lehnte ich mich nur an die Wand. Meine Handflächen brannten, und mein Kopf tat weh, und ich schaute zu, wie der Sekundenzeiger auf der Uhr im Kreis wanderte. Nach drei Minuten und einunddreißig Sekunden stellte Dad die Urne auf das Kaminsims zurück, wischte sich die Augen und ging raus. Ich hörte ein Glas klirren und das Zischen, als er eine Dose aufmachte. Jas zog mich hoch und sagte Komm, wir gehen in dein Zimmer .
    Wir setzten uns aufs Fensterbrett und schauten zu den Sternen hoch. Die Zwillinge waren zu sehen und der Löwe. Das silberne Licht vom Himmel glitzerte auf dem Schnee wie Diamanten. In meinem Horoskop stand, dass der Tag heute furchtbar werden würde , sagte Jas. Aber dass es so schlimm sein würde, hätte ich nicht gedacht . Die Fensterscheibe beschlug von ihrem Atem, und ich malte ein großes J in den Fleck und schrieb Jas’ und meinen Namen hinter dasselbe J. Die Buchstaben