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Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Titel: Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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konnte nicht sehen, wer da gekommen war, weil ich mit dem Rücken zum Haus stand, und zuckte erschrocken zusammen, als mir eine nasse Zunge die Hand ableckte. Sammy wedelte mit dem Schwanz, und der schlug an mein zitterndes Bein. Ich zählte bis drei und drehte mich um, und da stand Sunya. Ihr Kopftuch saß nicht so ordentlich wie sonst. Es sah aus, als hätte sie es hastig umgebunden. Sie trug einen blauen Schlafanzug, und ich konnte ihre Zehen sehen, die klein und braun und gerade waren und sehr hübsch aussahen auf dem Küchenboden.
    Sie starrte mich an, und ich starrte sie an, aber sie lächelte nicht.
    Ich sagte Hallo , und sie legte einen Finger an die Lippen, damit ich still war. Ich ging zu ihr, und meine Arme fühlten sich zu lang und meine Beine zu staksig an, und mein Gesicht war ganz heiß. Ich hielt die Karte in der Hand, aber Sunya sah nicht so glücklich aus wie Jas. Ich sagte Die Karte hab ich speziell für dich gemacht, mit Karton und Glitter , damit Sunya auch merkte, was für eine besondere Karte es war. Sie sagte nicht Danke oder Wow , und sie quietschte auch nicht, wie Mädchen das tun, wenn sie fröhlich sind. Sie sagte Schsch und schaute über die Schulter, als hätte sie Angst, dass uns jemand sehen könnte.
    Ich drückte ihr den Umschlag in die Hand und wartete darauf, dass sie ihn öffnete. Wenn sie erst den Schneemann mit dem Spider-Man-Shirt und den Schneemann mit dem Hijab sah, würde sie ganz bestimmt lächeln. Aber sie versteckte die Karte unter ihrem Schlafanzug und flüsterte Du musst jetzt gehen . Als ich mich nicht vom Fleck rührte, schaute sie wieder über die Schulter und sagte Bitte geh. Ich darf nicht mit dir befreundet sein. Meine Mum meint, du seist nicht gut für mich . Ich sagte WAS , und sie legte mir die Hand auf den Mund. Meine Lippen brannten wie an Halloween. Oben im Haus knarrten Dielen. Geh , sagte Sunya, schob mich weg, packte Sammy am Halsband und zog ihn in die Küche. Irgendwo ging Licht an, als Sunya die Küchentür zumachte und ich durch den Schnee rannte. Und als ich diesmal über den Gartenzaun sprang, flog ich nicht, sondern ich stürzte, und landete hart auf dem kalten Boden.

18
    Ich ließ die Chocos-Packung fallen, als Jas in die Küche kam. Sie war kaum wiederzuerkennen. Du siehst aus wie …, sagte ich, und Jas sagte Klappe und Gib mir einen Stift . Sie brauchte zehn Versuche, um eine Nachricht für Dad zu schreiben. Auf dem ersten Zettel stand Bitte bitte bitte komm , aber das war zu kindisch, deshalb schrieb sie Komm unter allen Umständen , was zu drohend klang. Nach acht weiteren Versuchen schrieb sie dann Dad . Wir haben eine Überraschung für dich und fänden es toll, wenn du heute ins Palace Theatre in Manchester kommen könntest. Sei um eins da, dann kriegst du eine einmalige Show geboten .
    Ich war nervöser als der nervöseste Mensch, den ich mir vorstellen konnte, und das ist der Löwe aus Der Zauberer von Oz . In meinem Bauch saß irgendwas, das viel größer und unheimlicher war als Schmetterlinge. Vielleicht Adler oder Falken oder so. Da fällt mir ein, dass es auch diese Affen mit Flügeln sein könnten, die Dorothy entführen und zu der Hexe bringen, die sich vor Wasser fürchtet. Egal. Jedenfalls biss es in meinen Bauch und flatterte unangenehm darin herum. Ich hatte Angst, dass ich alles vergessen und den Auftritt vermasseln würde, und ging alles noch mal durch, während Jas die Nachricht an Dad schrieb. Deshalb misslang ihr der sechste Versuch. Ich traf ihren Stift, als ich mit dem Bein ausholte. Als ich darüber lachte, schaute Jas sauer und flüsterte Herrgott, Jamie . Deshalb durfte ich dann nicht dabei helfen, die Nachricht auf Dads Nachttisch zu legen und den Wecker auf Viertel nach sieben zu stellen, weil ich vielleicht zu viel Krach machen würde.
    Es war fünf Uhr morgens, und wir gaben uns große Mühe, leise zu sein, obwohl das nicht nötig war. Dad wacht nicht mal tagsüber auf, wenn der Fernseher auf voller Lautstärke läuft. Aber wir schlichen trotzdem auf Zehenspitzen durch die Gegend, und uns blieb fast das Herz stehen, wenn einer was fallen ließ oder zu laut sprach. Jas hatte Schiss, weil Leo uns mit seinem Auto abholen sollte, und sie wollte nicht, dass Dad ihn sah und durchdrehte. Und ich hatte Schiss, dass Dad uns davon abhalten könnte, zur Show zu fahren. Dann würde er nämlich nie wieder mit Mum zusammenkommen. Wir haben ihr schon am achtundzwanzigsten Dezember einen Brief geschickt, damit er auch

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