Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)
lief nicht weg, sondern ging auf die beiden zu. Weichei mit seinem blöden Spider-Man-T-Shirt . Sie lachten und klatschten sich in der Luft ab. Ich ging unter ihren Händen durch. Daniel trat mich von hinten ans Schienbein, was wehtat, und ich hätte ihm gern die Faust ins Gesicht geschlagen, aber ich wollte nicht noch mal verprügelt werden. Daniel grinste, als hätte er gesiegt, und ich musste an diesen Tennisspieler denken, der in Wimbledon immer nur Zweiter wird, und irgendwie machte mich der Gedanke total sauer. Mein Herz knurrte in meiner Brust wie ein wütender Hund.
Hey Loser , schrie Daniel so laut, dass es jeder im Klassenzimmer hörte. Ich setzte mich neben Sunya und wartete, ob sie ihn böse anschauen oder etwas sagen würde. Aber sie zog den Kopf ein, als wolle sie sich verstecken. Sie schaute nicht mal in meine Richtung. Ich wollte sie fragen, ob sie meine Weihnachtskarte gelesen hatte. Ob sie den Schneemann, der wie sie aussah, und den Schneemann, der wie ich aussah, lustig gefunden hatte. Ich wollte sie fragen, warum sie nicht zur Talentshow gekommen war, und ich wollte ihr erzählen, dass Jas ganz toll gewesen war und ich immerhin so mutig, dass ich auf der Bühne gesungen und getanzt hatte. Aber dann fiel mir wieder ein, wie sie nachts in ihrem Garten zu mir gesagt hatte Meine Mum meint, du seist nicht gut für mich. Deshalb sagte ich gar nichts und starrte nur auf mein Federmäppchen, während Mrs. Farmer die Anwesenheitsliste durchging.
Zuerst hatten wir Englisch, und wir sollten über Unser wunderbares Weihnachten schreiben und dabei besonders auf Absätze achten. Bei mir war nichts Wunderbares passiert, aber ich wollte nicht lügen, deshalb schrieb ich die Wahrheit. Ich schrieb über die Sachen, die Jas mir in die Fußballsocke gesteckt hatte. Ich beschrieb die Sandwiches mit Huhn und die Pommes aus der Mikrowelle und die Pralinen. Ich erzählte, dass es mir am besten gefallen hatte, als wir zusammen laut Weihnachtslieder sangen. Und am Ende schrieb ich Es war kein wunderbares Weihnachten, aber es war gut, weil ich mit Jas gefeiert habe . Ich fand, das war mein allerbester Aufsatz bisher. Als ich ihn vorlas, sagte Mrs. Farmer Das ist eine ganz hervorragende Arbeit , und mein Marienkäfer hopste auf das erste Blatt. Die Engel waren in den Ferien ausgetauscht worden.
Nach Englisch hatten wir Mathe und danach Schulversammlung. Der Direktor berichtete, dass die Inspektoren von Ofsted der Schule die Note Befriedigend gegeben hatten, was hieß, dass wir ganz okay, aber nicht so besonders toll waren. Der Direx sagte, wir hätten auch eine Zwei kriegen können, aber es hätte einen Vorfall gegeben, der einen der Inspektoren empört hätte. Mrs. Farmer schaute Daniel an und schüttelte den Kopf. Daniels Kinn sank auf seine Knie. Irgendetwas blitzte, und ich schaute auf. Sunya sah mich an, und einen Moment lang dachte ich, sie würde loskichern. Aber dann schaute sie wieder weg und nickte ein paarmal, als höre sie ganz aufmerksam zu, was der Direx über Vorsätze fürs neue Jahr erzählte. Er sagte Steckt euch hohe Ziele, und nehmt euch ernsthaft etwas vor. Nicht nur langweilige Vorsätze wie Ich muss aufhören, Nägel zu kauen, oder Ich muss aufhören, am Daumen zu lutschen . Alle lachten. Der Direx lächelte und wartete, bis es wieder ruhig wurde. Dann sagte er Setzt euch ein Ziel, das ihr spannend findet. Auch wenn es euch ein bisschen Angst macht . Ich wusste sofort, was mein Ziel sein würde.
In der Spielzeit sah ich Sunya nirgendwo. Ich wartete auf unserer Bank und suchte sie auf dem Spielgelände und im Sportschuppen, aber sie war nirgendwo. Wahrscheinlich versteckte sie sich auf dem Klo, weil sie Angst vor Daniel hatte. Der Hund in meiner Brust knurrte noch lauter. Wir gingen alle wieder rein zu Geschichte und Geografie, aber ich konnte mich nicht konzentrieren und spähte in Sunyas Federmäppchen, um zu sehen, ob der Klebknetering drin war. Ich trug meinen und klopfte ein paar Mal mit dem weißen Stein auf den Tisch, um Sunya auf mich aufmerksam zu machen, aber sie schaute nicht von ihren Büchern auf.
In der Mittagspause ging ich nicht raus, weil ich nicht alleine draußen rumstehen wollte. Roger fehlte mir so sehr, dass ich meine Sandwiches nicht essen konnte. Deshalb ging ich aufs Klo und spielte wieder, der Händetrockner sei ein feuerspeiendes Monster. Ich hielt ganz lange durch und war furchtbar tapfer und schrie nicht mal, als die Flammen meine Haut verbrannten und meine Knochen
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