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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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»Nicht koscher«, fügte er für meine Mutter hinzu.
    »Ich gehe den Hauptgang holen«, erklärte meine Mutter mit versteinerter Miene und verließ den Raum. Niemand
sprach ein Wort. Man hätte die Luft mit einem Messer schneiden können. (Genau wie den Linsenauflauf übrigens, in dem bolzengroße Karottenstücke lauerten.)
    Mein Herz begann aufs Unangenehmste zu klopfen. Ich räusperte mich. Es ging nicht mehr darum, Cassie mit meiner Ankündigung zu bestrafen. Ich wollte ihr nicht wehtun, ich wollte alles wieder ins Lot bringen. Und so griff ich unter dem Tisch nach Tims Hand.
    »Hey«, sagte ich, »möchte jemand hier - äh, außer Ihnen, Mr und Mrs Hershlag - gern Großeltern werden?«

KAPITEL 6
    Schlagartig begriff ich, wie sich David Hasselhoff fühlen musste, der, wie er selbst gern erzählt, einmal ein Kind aus dem Koma zurückgeholt hat. Das hatte ich nicht geahnt - zum Glück, sonst wäre ich schon mit vierzehn schwanger geworden. Ein Funke erglühte in den Augen der Menschen um mich herum. Ehrerbietung.
    »O Elizabeth!«, jauchzte Tims Mutter. »Endlich wieder ein Baby in der Familie!« Dabei hielt sie meine Hand so andächtig und vorsichtig, als wäre es die Hand Gottes. Unsere Mutter sprang aus ihrem Stuhl auf und rief: »Ich werde Großmutter! Wie herrlich! Ich kann ihn in die Oper mitnehmen! Wir gehen zum Teetrinken ins Ritz! Er wird mein kleiner Freund sein! Das ist ja so schön, und bei Ralph gibt es so wunderbare Kindersachen!«
    Nachdem damit der Terminkalender unseres Babys gefüllt war, sah ich meinen Vater an und erkannte erschrocken, dass ihm Tränen in den Augen standen. Er kam um den Tisch herum, schüttelte Tims Hand und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Dann sagte er in mein Haar: »Gut gemacht. Deine Mutter und ich sind sehr stolz.«
    Die Worte hallten mir im Ohr. Das hatte noch nie jemand zu mir gesagt. Gleichzeitig war mir bewusst, dass mein Vater mir gratulierte, Sex gehabt zu haben. Plötzlich taten mir die Hershlags leid - die ausgeschlossen blieben -, aber die
waren anscheinend genauso aus dem Häuschen wie die richtigen Großeltern.
    »Maz- el tov!«, rief Mr Hershlag und schnäuzte sich. »Das sind wunderbare Neuigkeiten. Wunderbare Neuigkeiten! Wie fühlst du dich? Du musst essen, selbst wenn dir unwohl ist! Du musst dich zwingen!«
    »Ich wusste es!«, erklärte Mrs Hershlag lächelnd. »Ich wusste es vom ersten Augenblick an. Du siehst so verändert aus. Du hast so etwas an dir, eine Art Aura . Nun, meine Liebe, wirst du bis an dein Lebensende Mutter sein.«
    Ich nickte. Ich hatte einen Kloß im Hals.
    »Grandios. Grandios!«, sagte Tims Vater. »Wir dachten, wir müssten noch jahrelang warten, nicht wahr, Liebes?« Er strahlte alle am Tisch an. »So, Cassie. Jetzt wirst du Tante! Herzlichen Glückwunsch!«
    »Danke«, antwortete Cassie. Sie klang, als hätte sie Asche im Mund.
    Alle sahen sie mit freudestrahlenden Gesichtern an.
    Sie nahm einen Schluck Wasser und fragte dann unter einem kurzen Lachen: »Und wann wirst du den Wurm rausdrücken?«
    »Wo willst du das Kind denn bekommen?«, fragte George, der einzige Mensch in meinem Bekanntenkreis, der Cassie ins Wort fiel. »Gehst du in eine Privatklinik? Du solltest ins St John and St Elizabeth gehen. Dort achten sie sehr auf eine natürliche Geburt. Gwyneth Paltrow hat dort Apple bekommen.«
    »Was hat sie bekommen?«, fragte Mr Hershlag. »Die Frau bringt ein Kind zur Welt - und sie geben ihr nur Obst? Was sind das für Menschen?«
    Mrs Hershlag legte die Hand auf seinen Arm. » Apple! So heißt ihre Tochter!«

    »Warum?«, fragte Mr Hershlag.
    Ich kicherte und sah Tim kopfschüttelnd an. Er schüttelte ebenfalls lächelnd den Kopf. Er sagte kein Wort. Ich schätzte, dass es ihm ausnahmsweise die Sprache verschlagen hatte, und das überraschte mich nicht. Es war, als wären wir direkt vor der Haustür in einen Wirbelsturm geraten.
    »Hallo, Baby«, sagte Tim später zu meinem Bauch. »Alle freuen sich auf dich. Du bist jetzt schon ein VIP.«
    »Ja«, meinte ich. »Alle bis auf Cassie. Tut mir leid, dass du das hören musstest, Baby. Sie ist neidisch, weil du im Mittelpunkt stehst und sie nicht.«
    »Genau«, sagte Tim. »Dieses Kind wird geboren, und Cassie wird sich zurückentwickeln. Sie wird wieder anfangen, ins Bett zu machen und abends nach dem Milchfläschchen schreien!«
    »Harr-harr!«, machte ich und versuchte, ihr nicht böse zu sein.
    »Hey.« Tim zwinkerte mir zu. »Es ist neu für sie. Sie wird

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