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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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erhoben; er kann daher rechtmäßig nicht benannt werden.
    Mick Jagger! Ich wusste es!
    Ich erkannte auf der Rückseite eines weißen Blattes die krakelige Handschrift meines werdenden Vaters. »Mutter Sarah Paula Blatt 24 Latimer Road Edgware«. Mutter? Meine Mutter? Sarah Paula Blatt! Sarah Paula Blatt. Wow. Sie kam aus Edgware. Verrückt. Ich kniff die Augen zusammen. Auf der nächsten Zeile stand »Gekürt am«. Ich sah genauer hin. Ach
so. »Geburt am« und danach mein Geburtsdatum. »Neuer Name Cassandra Gabriella«. Ich kramte in den trockenen, vergilbten Papieren, bis ich den Brief mit dem Kopf »NATIONAL CHILDREN ADOPTION ASSOCIATION« fand.
    Sehr geehrte Mrs Montgomery, sehr geehrter Mr Montgomery, wir schätzen uns glücklich … bla bla … zwei Formulare … ausgefüllt … unterschrieben … Einverständniserklärung … Mutter … Geburtsurkunde für Jane Susan Blatt, geboren am …
    Verzeihung? Jane Susan? Jane Susan Blatt! Mein Gott. Die Mühe hättest du dir sparen können - warum hast du mich nicht einfach »Menschliches Wesen Nummer eins« genannt? Das wäre persönlicher gewesen! Ein Glück, dass ich adoptiert wurde! Ich meine, tu wenigstens so , als würde ich dir etwas bedeuten! Jane Susan. Ich war Jane Susan. Ich versuchte mir auszumalen, wie ich, still und dumm, als Jane Susan durchs Leben ging. Sie war ein völlig anderer Mensch. Ich stellte mir vor, wie mich Mummy und Daddy in Cassandra Gabriella umtauften, vermutlich der glamouröseste und gekünsteltste Name, den sich Mummy ausdenken konnte - wahrscheinlich hatte sie ihn aus der Vogue -, und spürte einen dankbaren Stich. Sie und Daddy hatten ihr Bestes getan. Wirklich.
    Ich rief zu Hause an, bevor ich es mir anders überlegen konnte. Daddy war am Telefon. Das kam selten vor. Schließlich ging er bei der Arbeit jeden Tag andauernd ans Telefon, weshalb er sich strikt weigerte, zu Hause zu telefonieren. Es war die einzige Aufgabe, die ihm unsere Mutter nicht übertragen konnte.

    »Ich habe die Schachtel geöffnet«, sagte ich.
    »Hast du das? Hast du das? Es war der richtige Zeitpunkt, nicht wahr? Tja, wir müssen alle wissen, woher wir kommen. Ich kann es dir wirklich nachfühlen. Recht so! Gut gemacht, Cassie!«
    Mein Herz fühlte sich an wie in einer Schraubzwinge. Daddy war der König des perfekten Umgangstons, der stillen Ermutigung. Auch darum war er ein so guter Empfangschef - er war höflich und freundlich, ohne zu vertraulich zu werden. Bei ihm fühlten sich die Hotelgäste wohl und umsorgt. Das Problem war, dass der perfekte Umgangston nicht wirklich für eine Vater-Tochter-Beziehung taugte und dass Lizbet und ich das Gefühl hatten, nicht umsorgt zu werden. Als würde er stets einen gewissen Sicherheitsabstand wahren. Aber ein perfekter Umgangston kann auch dazu dienen, Gefühle zu verbergen, und ich wusste genau, dass Daddy in diesem Moment mit seiner professionellen Art seine Trauer und seine Reue niederkämpfte. Woher ich das wusste? Weil auch er nur ein normaler Mensch war, der mich als seine Tochter erzogen hatte, und weil sich in diesem Moment selbst der rationalste Mensch der Welt verraten und verkauft gefühlt hätte.
    »Jane Susan!«, sagte ich, um meinen Verrat zu einem Witz zu machen. »Jane Susan? Was für ein Name ist das denn? Warum hat sie mich nicht einfach Blabla Blatt genannt - mir doch egal!«
    Er lachte. Er bemühte sich redlich, selbst wenn er dabei klang wie eine Katze, die ein Haarbüschel hochwürgt. »Wahrscheinlich hat sie dich nach jemandem benannt, Cassie.«
    »Ach wirklich.« Ich weiß, dass ich mich kindisch anhörte, aber wenn ich mich pubertär aufführte, würden sie wie Erwachsene reagieren müssen.

    »Eine Sekunde, Schatz. Mummy will mit dir sprechen.«
    »Schätzchen?«
    »Blabla Blatt am Apparat.«
    »Ach, Schätzchen!« Sie klang mitleidig, aber ich meinte ein Lächeln in ihrer Stimme zu entdecken.
    Ich wühlte mich durch die restlichen Papiere. »Ist das … ist das alles?«
    Mummy hustete. »Ja. Ja, ich glaube schon. Warum? Glaubst du, es könnte … etwas fehlen?«
    Ich brauchte ein paar Sekunden. »Wenn sie … meine … wenn Sarah Paula mir geschrieben hätte … oder der Adoptionsagentur … später - dann hätten sie das doch weitergeleitet, oder?«
    »Ja.«
    »Aber hier ist nichts. Keine … Nachrichten oder so.«
    »Nein.«
    »Aha. Okay. Schon gut. Ich habe mich, du weißt schon, nur gefragt.«
    Ich hörte meine Mutter Luft holen, dann sprudelte es aus ihr heraus: »Cassie,

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