Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
Vom Netzwerk:
du auch nur eine Zwei.« Ich spürte eine Explosion von Hass in meinem Bauch, die so gewaltig war, dass es sich anfühlte, als hätte ich mir etwas ausgerenkt.

    Dafür machte Cassie alles richtig. Sie stand vor unserer Tür, erdrückte mich in einer langen Umarmung und flüsterte: »Es tut mir so, so leid. Wie geht es dir? Es ist so furchtbar. Es ist entsetzlich.«
    Ich wartete auf das »Aber«. Es kam keines.
    Sie hatte etwas zu essen dabei. Ich starrte ungläubig auf das Gericht in der Glaskasserole. »Ist das … selbst gemacht ?«
    Cassie nickte und wurde rot. »Ich habe es genau nach Rezept zubereitet«, sagte sie. »Es ist so was mit Bohnen.«
    »Wow«, sagte ich. Ich war beeindruckt. Diese Frau plünderte die Delikatessenläden wie eine Wikingerflotte ein Fischerdorf. Aber obwohl sie eine von John Pawson designte Küche besaß, die so weiß und minimalistisch war, dass jeder Chirurg darin operiert hätte, war ich überzeugt, dass sie ihren Gaggenau-Ofen noch nie eingeschaltet hatte. Und nachdem alle Knöpfe, Schalter und Displays hinter weiß lackierten Holztüren versteckt waren, war ich nicht einmal sicher, ob sie wusste, wo genau er eingebaut war.
    Eine kleine, dünne Frau mit nervöser Ausstrahlung und auftoupiertem dunkelrotem Haar erschien hinter ihr.
    »Ach ja«, sagte Cassie. »Das ist Rumi. Sie kommt zum Putzen.«
    »Aber ich -«
    »Mach dir keine Gedanken«, sagte Cassie. »Ist schon erledigt.«
    »Danke«, murmelte ich. Ich brachte ein Lächeln für Rumi zustande. »Möchten Sie vielleicht einen Kaf …«
    »Rumi trinkt ausschließlich Cola«, sagte Cassie. »Nicht wahr, Rumi?«
    Rumi nickte grinsend. Sie hätte dringend zum Zahnarzt gehen sollen. »Wo anfangen?«, fragte sie.
    Ich starrte sie an, als hätte sie mir eine komplizierte Rechenaufgabe
gestellt. Jede noch so kleine Aufgabe überforderte mich.
    »Oben im Bad«, sagte Cassie.
    Ich wusste, dass Cassie die Schmutzmengen in unserem Haus ekelhaft fand. Wahrscheinlich waren sie es wirklich.
    Weil wir wir waren - finanzielle Nullen, unfähige Erwachsene -, sah selbst der eine Raum, den wir renoviert hatten, katastrophal aus. Unser neues Bad hatte neuntausend Pfund gekostet (Tim hatte zu spät bemerkt, dass der Sandstein pro Fliese berechnet wurde) und war von Idioten eingebaut worden. Diese Ahnung beschlich mich gleich am ersten Tag, als ich nach oben trottete und sah, wie James - der supercharmante, wahnsinnig angesagte Totalversager - die Wasserleitung, die er abgesägt hatte, mit bloßer Faust zu stopfen versuchte. Bis das Bad eingebaut war, hatten sie dreimal die Wohnung unter Wasser gesetzt und zweimal das Wohnzimmer streichen müssen. Als ich das erste Mal in unserer neuen Badewanne saß, hatte ich ernste Befürchtungen, dass ich damit durch den Boden brechen könnte und mich die Sanitäter tot und nackt in einer riesigen Emailwanne vor der Terrassentür auffinden würden.
    Schon nach wenigen Wochen begannen die ersten Fliesen zu springen und die Wandfarbe Blasen zu werfen. Der Knopf für die Toilettenspülung sprang aus der Fassung direkt in die Schüssel. Der Edelstahlschalter der Powerdusche fiel von der Wand in die Wanne und hinterließ eine tiefe Macke. Die Bodenheizung heizte sich auf bis zur Kernschmelze, sodass jeder Gang zum Klo einem Lauf über glühende Kohlen glich.
    Als das Waschbecken verstopfte, erkannten wir, dass man den Stöpsel nicht herausnehmen konnte und dass das gesamte Becken so installiert worden war, dass man die Abflussrohre nicht abschrauben konnte. Ich brachte Stunden damit
zu, mit einer Pinzette alten Schmodder unter dem Stöpsel hervorzuziehen, ohne dass ich viel damit erreicht hätte, denn das Becken füllte sich weiterhin bei jedem Händewaschen mit Wasser, auf dem hochgewürgtes Treibgut schwamm. Es war wirklich ziemlich, ziemlich eklig, selbst für mich. Aber Klempner waren teuer, und eines Tages würde Tim ganz bestimmt dazu kommen, eine Flasche Rohrreiniger in den Ausguss zu kippen. Was er aber nicht tat, bis mir irgendwann auffiel, dass uns Cassie zwar besuchen kam, aber nie bei uns auf die Toilette ging.
    »Draußen wartet ein Taxi«, ergänzte sie. »Ich nehme dich jetzt mit ins Dorchester Spa, und dort lässt du dich verwöhnen.«
    So geschah es auch. Die Wellnesslandschaft im Dorchester war elegant und teuer, ganz anders als mein Beautysalon an der Ecke, wo ich manchmal meine Beine wachsen ließ und mir dabei jedes Mal Mühe geben musste, die überquellenden Haareimer und den wuchernden Teppich

Weitere Kostenlose Bücher