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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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bist voll krass !« Mir wollte ums Verrecken nicht in den Kopf, was er und Tabitha gemeinsam hatten.
    »Migräne«, flüsterte ich. »Ich glaube, ich war eine Sekunde lang weggetreten.« Ich wartete kurz ab. »Du glaubst doch nicht, dass irgendwer … die Polizei ruft?«
    Jeremy betrachtete sich als Rebell. »Die Polizei!«, rief er aus. »Na klar.«
    »Na ja«, meinte ich, »als Evelyn Toberman das Gas mit dem Bremspedal verwechselt hat und rückwärts gegen einen Baum gefahren ist, hat Letty Jackson sofort den Alarmknopf in ihrem Schlafzimmer gedrückt, und gleich darauf standen sechs Streifenwagen vor ihrem Haus.«
    (Sonst, behauptete unsere Mutter, drückte Letty Jackson den Alarmknopf nur, wenn Mr Jackson das Schlafzimmer betrat.)
    »Pah«, sagte Jeremy. »Wir haben keinen Alarmknopf. Ich hab’ den braunen Gürtel in Judo.« Er nickte zu Tims leicht eingedelltem Wagen hin. »Hast dir wohl ein paar Gläser genehmigt?«

    »Verzeihung?«, fragte ich.
    »Du hast was getrunken!«
    »Nein! Aber nein! Ich trinke nicht -«
    » Ich war letzte Woche mit den Jungs unterwegs - heilige Scheiße, waren wir breit! Ein paar aus der Truppe in meiner alten Firma, nur die Profis, wenn du weißt, was ich meine, wu-huuuuu, das war kein Spaß, ich hatte schon mittags ein Bier intus, ein paar Gläser Weißwein um fünf, ab sieben gab’s wieder Bier, Mann, ich sag’s dir, das war übel, uff -«
    »Jeremy.«
    »… ein paar Kurze, dann Cocktails -«
    »Jeremy!«
    »… ein großes Glas Pimm’s, die Gurke hab ich ausgespuckt -«
    »JEREMY!«
    »Ja?«
    »Kannst du mir helfen, den Wagen in die Garage zu fahren? Bitte. Ich möchte nicht, dass Tim ihn … jetzt schon sieht.«
    »Ja, okay. Was willst du ihm erzählen?«
    »Die Wahrheit natürlich! Ich hatte - habe Migräne, okay?«
    » Richtig. Oder du könntest behaupten, dass Tomas über die Einfahrt gelaufen ist und du das Steuer verrissen hast, um ihm auszuweichen … und dabei ins Garagentor geknallt bist.«
    Ich starrte ihn an. Sein eigenes Kind! »Ich glaube, das möchte ich nicht«, erwiderte ich ein wenig steif. »Wenn überhaupt, würde ich sagen … dass Sphinx über die Einfahrt gelaufen ist.«
    Jeremy zuckte mit den Achseln. »Oder so.«
    Er wuchtete das Tor hoch - das jetzt eine tiefe Beule hatte - und fuhr den Wagen in die Garage.

    »Aus die Maus«, sagte er. »Unser Geheimnis, ja?« Er warf mir zwinkernd die Schlüssel zu.
    Ich griff in die Luft, und die Schlüssel fielen auf den Boden. Mühsam bückte ich mich, um sie wieder aufzuheben, und als ich wieder aufrecht stand, war er weg. Idiot. Ich war froh, dass ihn seine Frau die abgelaufenen Lebensmittel aus dem Kühlschrank essen ließ.
    Ich fiel ins Bett, ohne noch einmal in den Spiegel zu schauen, und sank langsam in einen stachligen Schlaf.
     
    Am nächsten Morgen saß ich totenblass und mit zwei blauen Augen am Frühstückstisch. Ich hatte eine dicke Lippe, Blutergüsse rund um die Nase und Schmerzen am ganzen Leib. Irgendwer hatte meine Halswirbelsäule gegen einen glühenden Schürhaken getauscht. Mir brummte der Schädel. Ich musste an Cassie denken, die bald in einem weißen Chiffonkleid mit einem Baby im Kinderwagen durch ihren ummauerten Garten wandeln würde, und spürte, wie mir vor Neid die Luft wegblieb. Abgesehen davon ging es mir phantastisch.
    Tim kam in die Küche, sein Blick huschte über mich hinweg, aber er sagte kein Wort. Zehn Minuten später hörte ich das Garagentor aufgehen.
    Wobei ich daran denken musste, wie uns kurz nach unserem Einzug aufgefallen war, dass unsere anderen Nachbarn nicht nur Schweine waren (keine Rosenbüsche im Vorgarten, sondern große, urinfleckige Matratzen), sondern auch ständig das Garagentor auf- und zumachten. Wir konnten nicht abends in unserem Wohnzimmer sitzen, ohne mindestens einmal das Quietschen und Donnern ihres Garagentors zu vernehmen. Einmal hörten wir das traute Quietsch-Ka-LANG, und Tim meinte ätzend: »Ach, ihr holt was aus der Garage? «

    Nicht gerade ein Wahnsinnsbonmot, aber ich konnte trotzdem nicht aufhören zu kichern.
    In letzter Zeit hatte ich so gut wie nicht gekichert. Dieses eisige Schweigen passte so gar nicht zu uns, und trotzdem konnte ich es nicht durchbrechen, so gern ich es auch getan hätte. Ich hatte wirklich hehre Absichten, aber Tim brauchte nur eine falsche Bewegung zu machen, und ich explodierte. Ich konnte nicht anders. Manchmal lag ich morgens im Bett und dachte, warum kuschelst du dich nicht an mich und nimmst mich in den

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