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Meine Schwiegermutter ist cooler als deine

Titel: Meine Schwiegermutter ist cooler als deine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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schön gegen den Wind gepinkelt: Der Gradeser Umzug fand am Donnerstag statt, und die Erstplatzierten
     hatten die honorige Aufgabe, beim ganz großen Umzug in Monfalcone am Rosenmontag anzutreten und Grados Farben zu vertreten,
     abermals in voller Mannstärke. Jetzt war es zu einer Frage der Ehre geworden. In Monfalcone allerdings war nichts mehr zu
     holen außer einer fiebrigen Erkältung für die gesamte Entourage, denn während eines dreistündigen Umzugs bei fünf Grad und
     Ostwind in nichts als Pappmaché gehüllt zu sein, ist nicht gerade das, was man seinen Töchtern zumuten sollte. Aber Kneifen
     wäre dem persönlichen Inselklima abträglich gewesen. Noch wochenlang begrüßten wir uns mit »Ciao, Campione! 5 « Das entschädigte für die laufenden Nasen.
     
    5
    Campione heißt Champion. »Campioni del mondo« heißt (Fußball-)Weltmeister.

|70| »Wenn du am Spieltag beerdigt wirst, kann ich leider nicht kommen«
    Meist ist es sonntags um 15   Uhr so weit. Der AC Mailand spielt, und wenn man sagt, dass Minnie ein Fan vom AC Mailand ist, dann ist das eine beleidigende
     Untertreibung. Das wäre so, als würde man sagen, dass der Mensch ein Fan von Atemluft und Trinkwasser sei. Am Morgen des Spieltages
     deutet sie, ganz nach Bedarf, ihre Träume der vorangegangenen Nacht. Mal heißt es, dass schlechte Träume Unglück bringen,
     mal bringen sie Glück. Eine traumlose Nacht ist manchmal ein düsteres Zeichen, manchmal aber auch geradezu eine Befreiung.
     Ich habe das System noch nicht durchschaut – gute Träume sind aber offenbar niemals gut.
    In jedem Fall wird am Morgen in der Bar kurz die ›Gazzetta dello Sport‹ überflogen, aber nicht mit der sonst üblichen Ruhe
     gelesen. Sie beobachtet ihre Umgebung wie ein Luchs, als warte sie auf ein göttliches Zeichen. Vielleicht offenbart sich im
     windschiefen Marmeladenbrioche des deutschen Schwiegersohns bereits das Ergebnis des Spiels? Hunger hat Minnie heute nicht,
     nicht einmal auf den kleinen Keks neben ihrem
caffè schiumato
. Dann tritt sie mit |71| Trilli in eine Art Dialog, sofern man mit einer Zweijährigen wirklich reden kann. »Nicht wahr, Inzaghi trifft, oder? Bestimmt
     schon in der ersten Halbzeit? Und er legt ein zweites Tor in der zweiten Halbzeit nach, richtig?« So redet sie mit meiner
     Tochter, die an ihrem Schnuller nuckelt, mit ihren Ohrläppchen spielt, ab und zu auf den Nachbartischen eine Tasse Cappuccino
     umwirft. Minnie achtet genau darauf, wie Trilli auf ihre Einlassungen reagiert; vielleicht hängt sie dem Glauben an, Kinder
     seien irgendwie mit hellseherischen Kräften ausgestattet oder könnten gar das Schicksal beeinflussen. Oder vielleicht braucht
     sie nur jemanden, der ihr zuhört; bei Pepe kann sie nach 40   Ehejahren nicht mehr auf die volle Unterstützung ihrer Fußballleidenschaft hoffen, Laura telefoniert, und ich als Deutscher
     verstehe ja sowieso nichts vom
calcio
. Geschweige denn von der italienischen Sprache. Trilli jedenfalls nickt zumeist wohlwollend. Und das gefällt Minnie natürlich.
    Dann will sie uns bis zum Mittag nicht mehr sehen, und vielleicht hat ja das Vorbereiten von Essen eine kontemplative Wirkung
     auf Minnie (bei mir bewirkt Kochen eher das Gegenteil: Stress, Schweiß, Angst vorm Verkleben der Pasta und der Totalblamage).
     Mittags ist sie ziemlich wortkarg und isst wieder nichts. Dafür rammt sie meinen Kindern die Pasta geradezu in den Schlund
     – anscheinend bringt es in ihrem ausgeklügelten abergläubischen Geflecht Glück, wenn die Kleinen vor dem Match einen ordentlichen
     Appetit beweisen und den Teller blitzeblank lecken.
    Nach dem Essen schickt sie uns zügig weg, weil sie ihre Ruhe haben will. Der Sonntag ist ihr Tag, da kann kommen, was will.
     Hochzeiten, Beerdigungen, Weltuntergänge – egal. Manchmal sind wir aber zufällig während des Matches |72| da, und dann sehen wir, wie sie körperlich arbeitet und mit einer Energie, die nur als unbändig zu beschreiben ist, vornübergebeugt
     auf der Sesselkante wippt und zwischen ihren Händen ein überdimensionales Kissen in die Mangel nimmt. Denken Sie an George
     Foreman und einen Sandsack 6 .
    Ein Unentschieden oder gar eine Niederlage nimmt sie bemerkenswert gelassen hin; sie hat es ja vorher schon gewusst, so schlecht,
     wie sie geschlafen hat. Wahrscheinlich ist das der Grund, an Schicksal zu glauben. Wenn es unausweichlich war und die Niederlage
     aufgrund vieler übler Omen schon vorher feststand, tut es ja

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