Meine Schwiegermutter ist cooler als deine
vielleicht nicht mehr ganz so weh. Und wenn der AC Mailand gewinnt
(was zu dem Zeitpunkt, als ich dieses Buch schreibe, verhältnismäßig selten geworden ist – Milan wurde 2007 / 2008 nur Fünfter und qualifizierte sich überraschend nicht einmal für die Champions League), dann ist sie am Abend, wenn wir
wieder bei ihr zum Essen einfallen, ganz cool. Aber manchmal lächelt sie dann, summt einen Ton in hoher Frequenz und ballt
die Fäuste vor dem Kinn. Das sollten Sie mal sehen, das ist nämlich sehr süß.
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Der große Sportjournalist George Plimpton beschrieb einmal, wie Foreman, der haushohe Favorit im anstehenden Kampf gegen Mohammed
Ali, bei der Vorbereitung auf den »Rumble in the Jungle« in Zaire 1974 auf einen prall gefüllten Sandsack so hart einschlug,
dass der Sack noch Stunden später Dellen hatte.
|73| Der Abstieg eines Statussymbols
Im Laufe meines Ehelebens habe ich es gelernt, die Missachtung zu erdulden, die Laura den Symbolen meiner bescheidenen Sportlichkeit
entgegenbringt. So habe ich nach und nach ein paar Golfpokale gesammelt, die ich gern prominent in der Wohnung aufstellen
würde, wohingegen Laura sie sofort als Blumenvase umfunktioniert. Den Gipfel der Unverschämtheit leistete sich aber neulich
Minnie, die wir zum Essen eingeladen hatten und die natürlich eine Stunde früher kam, um uns »zur Hand zu gehen« – also selbst
zu kochen. Sie traut Laura diesbezüglich nicht viel zu, und ich bin für sie, was die Essensvorbereitung angeht, nur ein deutsch
sprechender Flaschenöffner.
Jedenfalls fehlte etwas, was laut Minnie doch nun wirklich in keinem Haushalt fehlen dürfe (ich weiß nicht mehr genau, was
es war – sicher etwas verrückt Exotisches wie salzlos geröstete Macadamianüsse), und ich wurde noch mal zum Supermarkt geschickt.Als
ich zurückkam, ließ ich vor Schreck meine Einkäufe fallen. Lassen Sie mich kurz ausholen. Musselburgh Links östlich von Edinburgh
ist der älteste Golfplatz der Welt. Schon Maria Stuart hat dort gespielt, und Oliver Cromwell ließ hier seine Soldaten |74| campieren und begrub die Toten der Schlacht. Der Platz ist eine Legende. Und ich durfte dort ein Turnier mitspielen, was den
schottischen Organisator meiner Reise einige Wochen Vorbereitung und Antichambrieren gekostet hat. Und bei diesem Turnier
gewann ich einen Wettbewerb namens »Nearest to the Pin«, der bedeutet, dass man an einer vor dem Start bestimmten Bahn den
Ball am nächsten ans Loch geschlagen hat. Ich war stolz wie Hulle, als bei der Preisverleihung in dem steinalten Clubhaus
mein Name aufgerufen wurde. Ich gewann einen
quaich
in Silber, ein traditionelles schottisches Trinkgefäß, das wie ein zu klein geratener Suppenteller mit zwei Henkeln wirkt.
Es ist vielleicht der wichtigste, auf jeden Fall aber historischste Preis, den ich in meinem gesamten Golferleben, ach was,
in meinem gesamten Leben erhalten habe. Eine Steigerung dürfte kaum noch möglich sein. Und Minnie hatte sich den
quaich
einfach vom Regal geschnappt und raspelte seelenruhig Parmesan hinein. »Ich brauchte ein Gefäß und habe einfach irgendeines
genommen«, rief sie fröhlich, »ist doch kein Problem, oder?«
Seitdem steht der
quaich
, mit Klarsichtfolie abgedeckt und randvoll mit Parmesan, in unserem Kühlschrank. Jedes Mal, wenn ich ihn aufmache, sehe ich
die Herabwürdigung meiner ohnehin schon nicht sonderlich würdevollen Golferkarriere vor mir. Und bin erstaunt darüber, dass
man gleichzeitig Melancholie und Mordgedanken empfinden kann.
|75| Auf großem Fang
Paolo ist der Mann von Lauras Cousine. Und damit ist er – äh, mein Schwager zweiten Grades? Irgendwas sonst Angeheiratetes?
Jedenfalls ist er ein Mann, wie man selber einer sein will. Er hat eine tiefe Stimme und exakt die Menge Brusthaar, mit der
man noch maskulin wirkt und nicht so, als hätte man versehentlich ein paar Evolutionsstufen ausgelassen. Er behält die Ruhe,
auch wenn um ihn herum die Welt zusammenbricht. Er ist diesbezüglich wie Laura, aber in der männlichen Variante. Ich gerate
offenbar immer an die gleichen Typen.
Kurz: Paolo war mein Mann, als es darum ging, gewaltige Schwertfische und Tigerhaie mit Hilfe riesiger Ruten in stundenlangem
Kampf aus dem Wasser zu ziehen und triumphierend in den Hafen von Grado einzufahren. Seit ich als 1 5-Jähriger zum Hemingway-Fan wurde (jeder 1 5-Jährige will wie Hemingway sein), hat mich Angeln fasziniert. Also war ich
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