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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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biegt mir die Mundwinkel nach unten.
    Aber endlich kann ich mich aus seiner abscheulichen Umarmung lösen.
    »O Mann«, protestiere ich und gehe auf die Knie, um die Zeitungen aufzusammeln. »Glaubst du vielleicht, du wärst gebaut wie Carla Fracci, du Idiot?«
    »Ho-hoo!«, spöttelt er, derweil ich auf dem Boden rumkrieche. »Da war heute Morgen aber einer ganz schön informationshungrig, was?«
    »Ach, leck mich doch.«
    »Ganz schön doof, ich hab nämlich auch vier oder fünf davon besorgt.«
    »Ah, ja? Warum denn, teilen wir uns normalerweise den Zeitungskauf, wir beide?«
    »Nö, das nicht. Aber du hättest mir trotzdem Bescheid geben können.«
    »Bist du jetzt meine Pressestelle, oder was?«
    »Täusche ich mich«, antwortet er und stemmt die Hände in die Flanken, »oder ist uns da schon was zu Kopfe gestiegen?«
    Ich schaue von unten zu ihm hinauf und will ihm eine Antwort verpassen, aber dazu kommt es nicht, weil er mir bereits den Rücken gekehrt hat und abzieht.
    »Jetzt komm schon, hab dich nicht so! Komm zurück«, brülle ich ihm hinterher, als ich mich wieder hochrapple.
    Aber Espedito dreht sich nicht mal um.
    Allein im Flur, die Hände mit dem Zeitungsstapel beschäftigt, muss ich seufzen, denn vermutlich werde ich nicht drumrumkommen, mich bei ihm zu entschuldigen.
    Ich schaue auf die Tür, hinter der bis vor kurzem noch das Büro der Kooperative Arethusa lag, das aber seit ein paar Monaten von Alberto, dem Sohn unseres Vermieters, als Zweitwohnsitz genutzt wird. Zusammen mit zwei Kumpels, die ärmer dran sind als er, kommt dieser kleine Schnösel hier regelmäßig zum Kiffen vorbei (allerdings nie mit einem Mädchen, und das, obwohl der Junge gut und gern zwanzig ist, ts ts ts). Die Duftschwaden im Korridor sind uns gegenüber unseren (wenigen) Mandanten natürlich hochnotpeinlich. (Einmal haben wir Alberto klipp und klar gesagt, dass er wenigstens mal das Fenster aufmachen soll. Und wisst ihr, was er darauf sagte? Er sei ein ziemlich verfrorener Typ – allen Ernstes! Und das war nicht mal gelogen).
    ›Ah, die Arethusa‹, denke ich mit wohligem Grusel.
    Das Ehepaar mit den Vornamen, die ich mir nie merken konnte, und ihr grässlicher Spitz.
    Was wir für Beklemmungszustände kriegten, Espedito und ich, wenn die Töle wie angestochen loskläffte, sobald jemand an der Tür klingelte …
    Wie lange wir von denen schon nichts mehr gehört haben! (Wir haben sie nie mehr wiedergesehen, nicht mal auf der Straße.) Bestimmt war es kein Zufall, dass ihre Geschäftsaufgabe unmittelbar auf die plötzliche (und für sie unerklärliche) Katatonie des Hundes folgte, der zuletzt von seinen hysterischen Attacken zur Kontemplation der Leere übergegangen war.
    Immer wenn ich ihre Tür sehe, fühle ich mich (wenngleich nur indirekt) verantwortlich für ihr Drama. Irgendwann einmal werde ich ihnen mein Herz ausschütten und sie um Verzeihung bitten.
    ›Na los, jetzt komm schon!‹, rede ich mir gut zu und schleppe mich tatsächlich auch gehorsam zu Espes Büro.
    Der Schlawiner sitzt am Schreibtisch, mit dem Rücken zur Tür, und schaut zum Fenster hinaus.
    Ich bleibe auf der Schwelle stehen und lasse einen halb streitlustigen, halb versöhnlichen Schnauber los.
    Der Empörte tut mir aber nicht den Gefallen sich umzudrehen.
    So dass ich versuche, das vorgetäuschte Eis durch eine Improvisation zu brechen, einfach so, frei Schnauze.
    »Na ja, ich geb’s zu«, sage ich, »im einen oder anderen Moment habe ich durchaus um mein Leben gefürchtet, aber das ist jetzt vorbei, du brauchst dir wirklich nicht solche Sorgen um mich zu machen.«
    Nicht mal das funktioniert.
    Okay, du hast es so gewollt !
    Ich trete einen Schritt nach vorn, hebe den Stoß Zeitungen in die Höhe und knalle ihn mit der ganzen Kraft meiner Arme auf Espeditos Schreibtisch.
    Der Schlag ist dermaßen explosiv, dass der Dödel vom Sitz auffährt und, weil er von der Stuhllehne abprallt, beinahe umkippt (unter dem Gewicht seines Fettarschs knarzt das Polster, als wär’s ein Laster der städtischen Müllabfuhr). Er schlägt sich eine Hand vor die Brust, dreht sich aber – wenngleich mit knallrotem Gesicht – endlich zu mir her.
    Ich muss unweigerlich lachen.
    Auch er würde gern lachen (das sehe ich ihm an), aber da er erst noch ein bisschen die Rolle der Prinzessin auf der Erbse auskosten will, hebt er die Augenbrauen und mustert mich von unten nach oben.
    Eigentlich möchte ich weiterprusten, entschließe mich jedoch stattdessen, zum Punkt zu

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