Meine Schwiegermutter trinkt - Roman
ist er so etwas wie die Einkommenssteuer auf das Glück (mit dem Unterschied, dass der Einkommenssteuer-Tod sich nicht als Schmarotzer an die Liebe dranhängt, sondern mit ihr zusammen an der erstbesten Klippe zerschellen will).
Mit anderen Worten: In der Liebe ist der Tod im Wesentlichen das im Hintergrund lauernde Unglück.
Der alte Spezi Tod hat nämlich diese verhängnisvolle Gabe, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen – und zwar speziell bei Liebenden. Bei Liebenden, deren Liebe erwidert wird, Liebenden mit einer laufenden Beziehung und allem Drum und Dran also. (Wenn die Liebe nämlich unerwidert bleibt und keine Beziehung zustandekommt, stellt sich das Problem erst gar nicht. In diesem Fall gibt er sich erst gar nicht die Mühe, wo es doch weiß Gott genügend wiedergeliebte Liebende gibt.)
Wenn man sich aber frisch zusammengetan hat, wenn man richtig glücklich ist und einem vierundzwanzig Stunden mit dem oder der Geliebten nicht genug sind, dann packt einen typischerweise die Angst, dass von einem Moment auf den anderen alles vorbei sein könnte.
Wenn dir solche Gedanken kommen, brauchst du nicht lange zu deuteln: das sind Todesgedanken. Sie kommen dir, weil du gute Einkünfte hattest, und der Tod, der immer Jagd auf Steuerhinterzieher macht und sie mit großer Sicherheit aufspürt, dir sofort das Steuerformular F24 zugestellt hat.
Es ist selbstverständlich kein Zufall, dass der Großteil der Liebesgeschichten endet, kaum dass sie begonnen haben.
(Das ist der Moment, in dem dir der alte Gierhals den Steuererlass in Aussicht stellt: ›Gib alles auf, und du sparst dir einen Haufen Ärger.‹ Damit konfrontiert er dich mit einem Vorurteil, das so alt wie Methusalem ist, aber schrecklich effektiv. Wo es eigentlich schon genug wäre, sich klarzumachen, dass nirgendwo geschrieben steht, dass man sich besser früher als später trennen soll.
Meiner Meinung nach ist später besser.)
Aus dem Grund muss man, wenn man frisch verliebt ist und wiedergeliebt wird, alles daransetzen, diese scheußliche Steuer nicht zahlen zu müssen.
Liebende sind alle Steuerhinterzieher. Deshalb drehen sich auf der Straße die Leute nach ihnen um und starren sie an, als hätten sie ihnen was weggenommen.
Wozu sonst hat man Freunde?
Sagt jetzt nichts, okay?
Heute Morgen habe ich mir zehn Tageszeitungen gekauft. (Natürlich nicht alle am selben Kiosk.)
Ich hab mich sogar ein wenig gestyled (Sonnenbrille, ein Rasta-Cap mit der Aufschrift ›Legalize‹, ein Geschenk von Alf, Dreitagebart), nur um rauszufinden, wie man sich fühlt, wenn man nicht erkannt werden will, aber alle drei Zeitungshändler haben mir wirklich tief empfundene Komplimente gemacht.
Ich gehe heute ganz früh ins Büro, um wenigstens eine halbe Stunde lang ungestört an meinem Pressespiegel arbeiten zu können. (Ungestört, weil Espedito jeden Morgen, sobald er zur Tür rein ist, in mein Zimmer gestürmt kommt und mich in seine Abschleppprojekte einweiht. Heute wird er mir garantiert erzählen, dass mein sexueller Erfolg geschmiedet werden müsse, solange er heiß ist – darauf würde ich jede Summe verwetten.
Die erste SMS nach dem Supermarkttrauma kam von ihm und lautete bezeichnenderweise: ›Jetzt wird aber gebumst, oder?‹)
Leider erwartet er mich schon.
»Oha«, sage ich mit derselben Begeisterung, die ich an den Tag legen würde, wenn mir zu Ohren käme, dass tags zuvor seine Katze angefahren wurde, »du bist heute aber früh dran.«
»Komm her, komm her!«, ruft Espedito und breitet ungeduldig die Arme aus, weil er mir körperlich beweisen möchte, wie sehr er sich darüber freut, mich gesund und munter wiederzusehen (und natürlich auch darüber, dass er mich zumindest vorübergehend als berühmten Intimfreund vorführen kann); dann kommt er zu mir gewatschelt und nähert sich mit dem Überschwang einer schwergewichtigen Ninja-Schildkröte, hechtet auf mich drauf und fällt mir mit absolut unverhältnismäßiger Heftigkeit um den Hals. (Dabei achtet er weder auf den Zeitungspacken unter meinem rechten Arm noch auf seine vollschlanke Figur; auf diese Weise kollidiere ich mit seinem Bauch, pralle zurück und drei Kilo Zeitungen fallen zu Boden. Um nicht selber hinzufallen, klammere ich mich verzweifelt an den Schultern des Blödmanns fest, der mich daraufhin in einer oberpeinlichen Tango-Pantomime an sich heranzieht.
Angewidert ziehe ich mich zurück.
»Verdammte Sch…«
»Pass bloß auf, sonst küss ich dich«, grinst Espedito.
Der Scherz
Weitere Kostenlose Bücher