Meine Schwiegermutter trinkt - Roman
gefallen.«
›Das hat dir gerade noch gefehlt‹, schießt es mir durch den Kopf. ›Ein netter improvisierter Abend in Gesellschaft junger Leute, die deine Kinder sein könnten. Vielleicht triffst du in der Kneipe sogar noch Alagia, dann landest du einen Volltreffer.‹
»Danke, das ist sehr nett. Aber vielleicht ein anderes Mal.«
Kurzes Schweigen.
»Ich hab Sie überfahren, entschuldigen Sie.«
»Nein, es ist nur schon ein bisschen spät, und morgen habe ich eine Verhandlung.«
»Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen, ich hätte auch keine Lust, den Abend mit Leuten zu verbringen, die ich gar nicht kenne. Speichern Sie jetzt aber bitte meine Nummer?«
»Mach ich. Gleich nach unserem Gespräch.«
»Also, dann beenden wir doch unser Gespräch.«
»Gut«, sage ich verlegen. »Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend.«
Und könnte mich im selben Moment ohrfeigen dafür. › Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend ? Sag mal, geht’s noch‹, möchte ich mich selber anschreien: ›Was bist du? Eine Fernsehansagerin?‹
»Gute Verhandlung, Vincenzo.«
Es verblüfft mich so sehr, meinen Vornamen aus ihrem Mund zu hören, dass ich mich gleich als ausgewachsener Hornochse zu erkennen gebe.
»Was für eine Verhandlung?«
»Sagten Sie nicht, Sie hätten morgen eine Verhandlung?«
»Ah, die Verhandlung. Ja klar, natürlich.«
Wie peinlich kann man eigentlich sein?
»Gute Nacht«, verabschiedet sie sich, ohne jeden Anflug von Ironie in der Stimme.
Ihr Stil gefällt mir.
»Gute Nacht, Cam… Irene.«
›Was guckst du so?‹, frage ich das Arsch von Engel, der sich natürlich ausgerechnet jetzt zurückmelden muss.
›Ich? Nichts.‹
›Dann tu doch nicht so! Was willst du überhaupt? Ich bin schließlich zu Hause geblieben, oder nicht?‹
›Hmm-hmm‹, gibt er sardonisch zurück.
›Und außerdem war sie mit Freunden zusammen, stimmt’s? Ein Beweis dafür, dass sie mich ohne jeden Hintergedanken eingeladen hat.‹
›Eine Frau, die den Abend, dazu noch mit Freunden, in einem Lokal verbringt und zum Telefon greift, um dich anzurufen, die muss Hintergedanken haben, Vince’. Alles klar?‹
Ein schlagendes Argument. Das mich tatsächlich sofort nervös macht.
›Hör mal, können wir’s vielleicht dabei belassen? WeweweIchbinnichtlosgegangenDotCom. Lass mich gefälligst in Ruhe, ich hab Hunger.‹
Er hebt eine Hand und wedelt abschätzig in meine Richtung. Als wollte er mir sagen: ›Ach, lass mich doch zufrieden, du Vollidiot.‹
Ich gehe gar nicht auf diese Provokation ein.
›Du musst zugeben, sie sieht ihr ziemlich ähnlich, oder?‹, sage ich.
Er verdreht die Augen zum Himmel.
Ich greife wieder zum Handy, um mir eine Pizza zu bestellen und scrolle mich trotzig durch mein Adressbuch. Als ob ich irgendeine Pizzeria-Nummer eingespeichert hätte …
Schwer schnaufend, als würde es mich unsagbare Mühe kosten, krame ich schließlich von irgendwo das Telefonbuch vor, und während ich zur Seite mit den Pizzerien blättere, fällt mir ein, dass gleich hier um die Ecke vor kurzem ein Imbiss aufgemacht hat, der (Ehrenwort) Pizz express heißt. Weshalb ich auf der Stelle beschließe, dass man die Küche eines Imbisses mit Namen Pizz express unbedingt ausprobieren muss.
Ich suche also die Nummer raus und rufe an.
Am Telefon ein offenkundig angesäuerter Typ. Als ich frage, was sie Warmes haben und ob sie frei Haus liefern, sagt er ca. zwanzig Sekunden lang gar nichts und fragt mich dann, als würde ihn jemand dazu zwingen, dermaßen unhöflich nach meiner Adresse, dass ich abwarte, bis er den Stift zum Notieren parat hat, ehe ich ihn wegdrücke. »Fick dich doch express«, sage ich und entscheide mich für schnelle Spaghetti mit fettreduziertem Pesto Buitoni.
Ich setze Nudelwasser auf, mache den Fernseher an und gehe die Liste der Sender durch, die im Digitalfernsehen verfügbar sind (diese technische Innovation, das terrestrische digitale Fernsehen, kommt mir tatsächlich wie gerufen; wenn man den Komfort erst mal hat, fragt man sich: ›Wie konnte ich bis gestern nur ohne auskommen?‹).
Ein lokaler Fernsehsender bringt Werbung für das bevorstehende Konzert einer italienischen Band, von der ich mehrfach den Namen höre, ohne zu verstehen, was er soll. Drei schmächtige Bürschlein – peinliche Fashion Victims, halb Armani, halb Oviesse –, die Gesichter durchweg zerrüttet vom Geschäft des Lebens (einer umklammert seine halbakustische Gitarre so fest, als hätte er Furcht,
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