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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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ihr was im Gange war, das zu sehen sich vielleicht lohnte, und sie drehte sich um.
    Na endlich , dachte ich erleichtert.
    »Jesusmariaundjosef!«, flüsterte sie mit dünner Stimme und schlug sich die Hand vor den Mund (warum zensiert man sich eigentlich immer, sobald man erschrickt?), woraufhin ich ihr eigentlich die Bohnen geben wollte, einfach so, ohne weiteren Grund, aber diesmal war sie es, die nicht mitspielte.
    Matrix verschränkte die Arme auf dem Rücken und beugte sich nach vorn. Sofort setzte Ingenieur Romolo Sesti Orfeo den Pistolenlauf vom Gesicht auf den Nacken um und riss ihm mit der freien Hand die Arme nach oben. Diese Destabilisierung zwang Matrix, sich noch weiter vornüberzubeugen, so dass es von unserer Perspektive aussah, als flehe er den Fußboden um Gnade an. Ein Gefangener in Erwartung seiner Hinrichtung, kniend vor seinem Henker.
    Alle Überheblichkeit war aus Matrix’ Gesicht verschwunden, soweit ich das erkennen konnte. Eine Einbuße, die ich kaum ertragen konnte. Einen Menschen einem anderen dermaßen ausgeliefert zu sehen hat auf mich immer eine schreckliche Wirkung.
    Die Oma klammerte sich an meinen Arm und drückte ihn. (Ich wollte schon fragen: ›Und die Bohnen?‹, verkniff es mir jedoch.)
    Da zog Ingenieur Romolo Sesti Orfo aus einer Tasche ein Paar Handschellen hervor. Das Auftauchen eines so bekannten Polizeiutensils beruhigte mich (und nicht nur mich, denn die Alte fragte sofort: »Ist das ein Kommissar?«, als müsste ich das wissen). Und doch sah die ganze Aktion irgendwie nicht nach einer Verhaftung aus (zumindest nicht nach einer x-beliebigen). Was mich wiederum irritierte. Wenn man Ingenieur Romolo Sesti Orfeo so sah, gewann man vielmehr den Eindruck, dass er lange auf diesen Moment des Triumphs gewartet hatte: In seiner Bravour lag nämlich etwas übertrieben Berechnetes, etwas … ja, etwas Persönliches. Deshalb betitelte ich ihn in Gedanken immer noch mit vollem Namen, wie er sich mir vorgestellt hatte. Mit anderen Worten: Ich glaubte (immer noch!) nicht, dass er tatsächlich Polizist war.
    Matrix, wehrlos und im Ungewissen über seine Zukunft, wie er war, keuchte. Ingenieur Romolo Sesti Orfeo fixierte ihm unterdessen das erste Handgelenk, schlang die Kette der Handschellen um den Handlauf des Kühlregals und die zweite Handschelle um das andere Handgelenk. Sah schwer nach Mafia aus, die ganze Aktion.
    Nachdem das Schloss eingerastet war, zog er die Pistole zurück, machte mit der Coolness des ausgebufften Profis auf dem Absatz kehrt und schlenderte gelassen, als hätte er seinen Job erledigt, den Gang hinauf.
    Wir standen immer noch am selben Fleck, die Oma (an meinem Arm) und ich – wie zwei Komparsen am Set, die auf Anweisungen des Produktionschefs warten.
    »Hat er ihn festgenommen?«, fragte mich die Alte.
    »Was schätzen Sie?«, fragte ich zurück.
    Der Ingenieur Romolo Sesti Orfeo schaute mir direkt ins Gesicht und nickte.
    Schlagartig ließ die Oma meinen Arm los und starrte mich fassungslos an.
    Es wirkte: Wie ein Vollidiot fing ich an, mich mit so peinlichen Sätzen zu rechtfertigen wie: ›Oje, Sie glauben doch nicht etwa …‹ oder: ›Also ich hab wirklich nicht das Geringste damit zu tun … ganz ehrlich!‹ – mit Sätzen, die sie aber nur noch in ihrem Argwohn bestärkten, dass zwischen mir und dem Ingenieur Romolo Sesti Orfeo eine Verbindung bestehe (ob krimineller oder polizeilicher Natur schien für sie keinen Unterschied zu machen, so wie sie mich ansah).
    Nach dem ganzen Rumgestottere rutschte mir ein pauschales ›Ach leck mich doch‹ (inklusive wegwerfender Handbewegung) heraus – ja, ich ging sogar so weit, ihre verdammten Bohnen streitlustig wieder zurück ins Regal zu stellen (dann kletter doch rauf, wenn du sie unbedingt willst, du neunmalkluge alte Schachtel).
    Entsetzt zog die Oma ihren Kopf zurück und stellte den inquisitorischen Blick ein.
    Nachdem wir unseren ganz persönlichen Kleinkrieg beendet hatten, wandten wir uns wieder der laufenden Geiselnahme zu: Mit surrealer Natürlichkeit hantierte Ingenieur Romolo Sesti Orfeo wieder an der Fernbedienung rum und richtete sie erneut auf die beiden Monitore gegenüber vom Kühlregal.
    Matrix wiederum (immer noch vor seinem Peiniger kniend) suchte den Blickkontakt zu Romolo Sesti Orfeo, um auszuloten, wie es für ihn weitergehen würde; als er jedoch sah, womit der Ingenieur sich gerade beschäftigte – allem Anschein nach mit irgendwelchen banalen Gerätetests –, schaute er

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