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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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auskommen?«
    Ich reiße ihm die Tücher aus der Hand und presse sie, ich weiß selber nicht, warum, an meine Brust.
    »Hättest du zum Duschen nicht wieder nach Hause gehen können, oder ist dort jemand gestorben?«
    »Bist du wahnsinnig? Ich war schon auf halbem Weg.«
    Er schnürt sich die Schuhe auf.
    »Bis zur Verabredung sind es aber fast noch zwei Stunden, Menschenskind!«
    »Eben«, gibt er zurück und knöpft seine Hose auf, »wir haben noch reichlich Zeit, oder nicht?«
    Im selben Moment merke ich, dass mein Handy klingelt, ich weiß aber nicht, aus welchem Zimmer.
    Vor lauter Panik, womöglich einen weiteren Anruf von Alessandra Persiano zu verpassen, schmeiße ich dem inzwischen halb nackten Espe die Handtücher ins Gesicht und stürze mich ins Schlafzimmer, dem, wie mir scheint, Ursprungsort des Boccherini-Menuetts, das ich mir als Klingelton ausgesucht habe.
    Beim vermutlich letzten Klingelzeichen gelingt es mir endlich, das Handy ausfindig zu machen. Meine Stellung bei der Entgegennahme des Gesprächs will ich gar nicht erst beschreiben, so lächerlich ist sie. Hinzu kommt, dass ich von den Moschusausdünstungen dieses Schwachkopfs so vergiftet bin, dass meine Stimme sich nach einem pathetischen Röcheln anhört.
    » HHH allhohhoo …«
    »Vincenzo?«, spricht Alessandra Persiano unsicher meinen Vornamen aus.
    »A…le.«
    »Hi. Was hast du, ist dir nicht wohl?«
    »Nein, nur dass ich … Hhh …«
    »Wer ist denn da? Ich höre jemanden singen.«
    Tatsächlich trällert Espe gerade Con te partirò vor sich hin.
    »Es…hh…pedito«, antworte ich im Bemühen, eine zumindest ansatzweise verständliche Aussprache hinzukriegen. »Und du kannst dir nicht vorstellen, wo genau er in diesem Moment ist. Wenn ich es dir sage, glaubst du’s mir nicht.«
    »Warum? Wo ist er?«
    »Unter der Dusche.«
    »Unter der Dusche? Bei uns?«
    »Du sagst es«, antworte ich, ermutigt durch die Tatsache, dass sie diese Wohnung offenbar immer noch als ›unsere‹ betrachtet. »Sein Boiler scheint plötzlich den Geist aufgegeben zu haben«, erfinde ich.
    »O.«
    (Ein ›O‹, das sowohl ›Verstehe‹ als auch ›Na, ich weiß ja nicht‹ bedeuten kann.)
    Es folgt eine stattliche Pause.
    »Ale.«
    »Ja«, antwortet sie bedrückt und gibt zu erkennen, dass sie keine Lust hat, mir zu dem Thema zu folgen, das ich gerade ansprechen möchte.
    »Wenn ich nicht rechtzeitig ans Telefon gekommen wäre, hättest du deins wieder ausgeschaltet, stimmt’s?«
    »Ich … nein.«
    »Doch, bestimmt. Gestern hast du es ja auch gemacht.«
    »Da war ich … in einer Sitzung.«
    »Abends um neun?«
    »Lassen wir das jetzt doch bitte, Vincenzo. Ich muss mich auf den Prozess konzentrieren.«
    Diese schnöde abwiegelnde Antwort bringt mich auf die Palme.
    »Nimmst du mir’s übel, wenn ich dir sage, dass mir dein Prozess gestohlen bleiben kann? Und dass mir dein Versuch, mein Anliegen auf später zu verschieben, um bloß keine Konzentration zu vergeuden, grob unhöflich vorkommt?«
    Sie seufzt.
    »Vincenzo, ich hab doch bitte gesagt.«
    ›Gut‹, sage ich mir. ›Ich hab versucht, ruhig zu bleiben.‹
    Und dann flippe ich doch aus: »Bitte – einen Scheißdreck, Ale! Immer wieder, seit du abgereist bist, ziehst du diese komisch zwiespältige Distanzierungsnummer durch. Wenn du glaubst, mit SMS im Stil von Wetterberichten und Kurzanrufen mit Höflichkeitsfloskeln könntest du dein Gewissen reinwaschen, dann täuschst du dich. Hier geht’s um uns beide, und wir brauchen uns nichts vorzumachen, die Frage ist einfach: Sind wir noch zusammen oder nicht?«
    »Du brauchst nicht zu schreien.«
    O, mein Gott. Warum hat sie das gesagt? Warum?
    Wie sagt man in solchen Fällen? Zähl bis drei?
    Ich probier’s, komme aber nicht mal bis zwei.
    Und flippe nur noch schlimmer aus. »Mit wem, glaubst du eigentlich, sprichst du, mit einem unartigen Schüler? Rutsch mir doch mit deiner verdammten Affektiertheit den Buckel runter! Oder noch besser, wenn’s dich so viel Mühe kostet zu antworten, dann antworte ich eben für dich: NEIN , WIR SIND NICHT MEHR ZUSAMMEN , so, hast du’s jetzt gehört? Ich hab’s sogar hinausgeschrien, stell dir vor.«
    Funkstille.
    Immer noch Funkstille.
    Funkstille.
    So lange, dass ich husten, tief Luft holen, über das Gesagte nachdenken und mir eine ganze Strophe von Con te partirò in der Interpretation des soeben der Dusche entsteigenden Espe anhören kann.
    »Weißt du was, Vincenzo?«, entschließt sich Alessandra Persiano

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